Schlüsselfigur Clinton Hoffen auf den Aufbruch
28.02.2009, 12:04 UhrSchon der erste Blick ins Reiseprogramm lässt eine Ahnung vom Ehrgeiz der Ministerin zu: Sechs Länder in sechs Tagen stehen auf dem Programm, wenn Hillary Clinton am Montag ihre erste Reise als US-Außenministerin nach Europa und in den Nahen Osten beginnt. Die Blitztour markiert den Start für die Umsetzung der großen außenpolitischen Ziele des neuen Präsidenten Barack Obama: Ein Neubeginn in den Beziehungen zu Europa soll die lange Phase der Entfremdung beenden, und mit der Vermittlung im Nahostkonflikt wollen sich die USA als Friedensstifter profilieren.
"Das wird ihre Bewährungsprobe", sagt Außenexperte Elliot Abrams vom Council of Foreign Relations in New York über Clintons Reise. Abrams sieht die Ministerin auf internationaler Bühne als "Schlüsselfigur", denn ohne Mitwirkung der USA wird es keine Lösung jener Probleme geben, die sich während der Amtszeit von George W. Bush angehäuft haben. Die Ministerin kann mit einem überaus freundlichen Empfang in Europa rechnen, wo die Hoffnung auf Aufbruch groß ist - die Last der ungelösten Probleme ist es freilich auch.
Sechs Länder in sechs Tagen
Beginnen wird Clintons Reise auf der Geberkonferenz im ägyptischen Badeort Scharm el Scheich, wo die Weltgemeinschaft über Aufbauhilfen für den kriegszerstörten Gazastreifen berät. Von dort reist sie weiter nach Israel und in die Palästinensergebiete. Am Donnerstag trifft Clinton dann in Brüssel die NATO-Außenminister, danach steht in Genf ihre erste Begegnung mit dem russischen Ressortchef Sergej Lawrow an. Letzte Station soll die Türkei sein.
Eine Ansammlung von Problemen erwartet Clinton auf der anderen Seite des Atlantiks: Die USA wollen den Afghanistan-Einsatz stärken und erwarten mehr Mithilfe von den Europäern. Die Diskussion um eine Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die NATO verärgert nicht nur den Kreml, sondern spaltet auch die NATO. Das Verhältnis der USA zu Russland sank nach dem Georgien-Krieg 2008 auf einen Tiefpunkt. Die umstrittenen US-Pläne zur Raketenabwehr sind noch nicht vom Tisch, und der Atomstreit mit dem Iran ist ungelöst.
Neue Ära der transatlantischen Zusammenarbeit
In Washington überwiegt die Hoffnung, dass mit dem Regierungswechsel eine neue Ära der transatlantischen Zusammenarbeit anbricht. Als die Bertelsmann-Stiftung kürzlich zu einer Expertenanhörung in den US-Kongress lud, war Aufbruchstimmung zu spüren. "Wir sind an einem großen strategischen Augenblick angekommen", sagte Julian Lindley-French von der britischen Verteidigungsakademie. Er sieht die Chance für einen Durchbruch bei der Neugestaltung der Beziehungen. "Das erste Jahr der Regierung Obama wird dabei enorm wichtig sein: Wenn es dann keine Fortschritte gibt, wird es Stillstand wie unter Bush geben."
Die Bewährungsprobe für die beiderseitige Bereitschaft zum Aufeinanderzugehen könnte kommen, wenn der NATO-Gipfel Anfang April über den Fortgang des Afghanistan-Einsatzes entscheiden muss, sagt der frühere NATO-Botschafter der USA, Robert E. Hunter. "Die Europäer können in Afghanistan eine ganze Menge mehr tun als bisher, etwa bei der Entwicklungshilfe und Regierungsführung."
Für das transatlantische Verhältnis werde der Gipfel ein "Schlüsselmoment", prophezeit Hunter. Die Vorbereitung des NATO-Spitzentreffens, zu dem auch Präsident Obama nach Straßburg und Kehl kommen wird, steht deshalb bei Clintons Reise weit oben, wie ihr Sprecher Robert Woods sagt. Er beteuert: "Wir wollen neuen Schwung in den transatlantischen Beziehungen."
Peter Wütherich, afp
Quelle: ntv.de