Dossier

US-Finanzminister Geithner Hoffnungsträger ohne Glück

Es ist für einen Minister kein gutes Zeichen, wenn sich der Chef zu Solidaritätsbekundungen gezwungen sieht. Am Wochenende erklärte US-Präsident Barack Obama erneut demonstrativ sein Vertrauen in Finanzminister Timothy Geithner, der nicht nur wegen der Affäre um die Millionen-Boni beim Versicherer AIG am Pranger steht. Sollte Geithner seinen Rücktritt anbieten, würde er ihm antworten "Tut mir leid, Kumpel, Du behältst den Job", sagte Obama dem Fernsehsender CBS. Damit kann der Präsident aber über eins nicht hinwegtäuschen: Der einst als finanzpolitisches Wunderkind gefeierte Geithner strauchelt - und gefährdet Obamas ambitioniertes Regierungsprogramm, bei dessen Umsetzung der Minister doch eigentlich eine tragende Rolle spielen sollte.

Zorn und Argwohn dürften ihm entgegenschlagen, wenn Geithner am Dienstag zum "Grillen" vor einem Ausschuss des US-Kongresses geladen ist. Darunter ist im Washingtoner Polit-Jargon nicht das landestypische Barbecue gemeint, sondern die verschärfte Befragung eines Amtsträgers vor einem Ausschuss. Geithners Auftritt könnte Aufschluss über seine weitere Karriere geben: Er muss die Zweifel an seiner Amtsführung ausräumen, sonst wird es eng für ihn.

Wer wusste wann was?

Geithners Umgang mit der AIG-Affäre hat diese Zweifel zuletzt verstärkt. Kritiker halten ihm vor, er hätte die 165 Millionen Dollar schweren Boni an Manager des Konzerns, der mit 180 Milliarden Dollar an Steuergeldern gerettet wurde, verhindern müssen. Immerhin hält der Staat inzwischen 80 Prozent der Anteile. Den Kritikern geht es um die Frage, ob der Minister von den bevorstehenden Bonuszahlungen wusste, ehe er vergangenen Monat weitere 30 Milliarden Dollar an Staatshilfe für AIG genehmigte.

"Entweder, Geithner wusste es, oder er hätte es wissen müssen", sagte der republikanische Senator Richard Shelby im Sender CBS. "Er ist erst so kurze Zeit im Amt, und ein Fehler jagt den nächsten", kritisierte der republikanische Abgeordnete Connie Mack auf MSNBC. Der demokratische Ausschussvorsitzende Paul Kanjorski, der Geithner am Dienstag befragen wird, sagte: "Er hat nicht nur uns, sondern auch der amerikanischen Öffentlichkeit viel zu erklären." Und Neil Barofsky, der Chefaufseher der US-Regierung über die Verwendung der Gelder aus dem Bankenrettungspaket, startete eine Untersuchung, wer im Finanzministerium wann was über die AIG-Boni wusste.

Empörung unterschätzt

Das Maß der öffentlichen Empörung hat Geithner offenbar unterschätzt. Nicht nur fehlender politischer Instinkt ist im Sündenregister des Ministers notiert. Dort verzeichnet sind außerdem eine Steueraffäre, die ihm fast die Nominierung gekostet hätte, und ein politischer Fehlstart im Februar, als die Vorstellung seines mit hohen Erwartungen behafteten Plans zur Sanierung des Finanzsektors weithin Enttäuschung auslöste und die Aktienkurse abstürzen ließ. Bei öffentlichen Auftritten wirkt Geithner, dessen Fachwissen kaum einer in Frage stellt, oft linkisch. Er spricht fahrig, der Blick wandert oft zum Boden.

Ein bisschen gibt sich Geithner, der mit 47 Jahren einer der jüngsten US-Finanzminister ist, wie ein Musterschüler, dem im Rampenlicht etwas unheimlich ist. In seinem dezenten, zurückhaltenden Auftreten spiegelt sich seine Herkunft aus vornehmer Ostküsten-Elite wider. Seine Jugend verbrachte er zeitweise in Indien und Thailand, wo sein Vater arbeitete. An der Spitzen-Uni Dartmouth studierte er Chinesisch und Japanisch. 1988 begann seine Karriere im US-Finanzministerium. 2003 wurde er Chef der Zentralbank von New York, die auch für die Wall Street zuständig ist. Den Karren, den Geithner jetzt aus dem Dreck ziehen soll, hat er lange Zeit also mitgelenkt.

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen