Hannelore Kraft im Porträt Hoffnungsträgerin der SPD
17.06.2010, 18:56 Uhr
Hannelore Kraft wäre die dritte Ministerpräsidentin eines Bundeslandes.
(Foto: REUTERS)
Nach langem Hin und Her könnte SPD-Landeschefin Kraft jetzt Ministerpräsidentin von NRW werden. Sie wäre damit die dritte Frau an der Spitze eines Bundeslandes.
Womöglich ist Hannelore Kraft selbst überrascht, wie schnell sich das Blatt gewendet hat. Noch am Mittwoch erläuterte die nordrhein-westfälische SPD-Chefin vor Dutzenden Journalisten in Berlin wortreich, warum sie den Zeitpunkt noch nicht für gekommen halte, in Düsseldorf eine rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden. Tags darauf stehen die Zeichen so, dass die 49-jährige Hoffnungsträgerin der SPD demnächst Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes werden dürfte. Die gelernte Unternehmensberaterin macht damit Politik über die Landesgrenzen hinweg: Sie bricht die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat und erschwert damit der zerstrittenen Bundesregierung das Regieren zusätzlich.
Der Linie treu geblieben
Kraft bleibt mit diesem überraschend anmutenden Schwenk ihrer Linie treu, die sie seit der Landtagswahl am 9. Mai verfolgt hat. Ganz oben an hat sie die Glaubwürdigkeit ihrer Politik gestellt, einen "Wechsel und Wandel" in dem einstigen SPD-Stammland nach einem fünfjährigen Zwischenspiel des CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers einzuleiten. Posten und Dienstwagen sollten dahinter zurückstehen. Stattdessen wollte Kraft nach erfolglosen Gesprächen über eine Ampel und eine große Koalition von der Oppositionsbank aus Regierungspolitik machen. Sie machte aber auch klar, dass sich dies schnell ändern könne - etwa wenn die FDP aus der Regierung ausstiege, weil die CDU mit der SPD gegen die FDP für Landeshilfen für Opel stimmen könnte.
Zum Schwur über die Opel-Hilfen kam es nicht mehr, weil der Autobauer den Antrag auf Hilfen zurückzog. Aber die FDP gab Kraft dennoch den Grund oder Vorwand, ihren Plan zu ändern. FDP-Landeschef Andreas Pinkwart erklärte die abgewählte Koalition mit der CDU praktisch für beendet. Damit wäre Nordrhein-Westfalen aus Sicht der SPD regierungslos.
Kraft überrascht Freund und Gegner

SPD-Landesvorsitzende Kraft und die Grünen-Landtagsfraktionschefin Löhrmann freuen sich: Sie wollen zusammen eine Minderheitenregierung bilden.
(Foto: dpa)
"2010 wird ein gutes Jahr für die SPD" orakelte Kraft bereits im Januar. Ernst genommen hat ihre Beteuerungen damals außerhalb ihrer Partei kaum jemand. Zur Überraschung aller brachte sie die SPD am 9. Mai auf Augenhöhe mit der über Jahre übermächtig erscheinenden CDU - nur knapp 6000 Stimmen lag die CDU am Ende vorne, bei der Zahl der Mandate eingeholt von der SPD. "Die SPD ist wieder da", jubelte Kraft, die damit endgültig zur Hoffnungsträgerin auch der Bundes-SPD wurde, die sie zur Unterstützung des Wahlkampfs bereits auf den Schild der Vizeparteichefin gehoben hatte.
Kraft hatte nach ihrem Eintritt in die SPD 1994 rasch Karriere gemacht. 2007 übernahm sie die Führung der NRW-SPD. Der Wahlkampf der Sozialdemokraten war ganz auf sie zugeschnitten. Die ehemalige Ministerin in den Kabinetten der SPD-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und Peer Steinbrück hat unermüdlich die Parteibasis bereist - und führt nun nach eigenen Worten eine "Kümmerpartei", die ihre Politik "geerdet" hat.
NRW soll sozialer und gerechter werden
Die in Mülheim an der Ruhr geborene Kraft räumt immer wieder freimütig und ungefragt Fehler bei den Hartz-IV-Reformen ein, ohne aber von deren Kern abzurücken. Sie versprach ein sozialeres und gerechteres Nordrhein-Westfalen, in dessen Bildungseinrichtungen kein Kind mehr "zurückgelassen" werden solle. Kraft initiierte vor der Wahl eine "TatKraft"-Tour und besuchte Altenheime, soziale Einrichtungen und Betriebe, um sich dort Einblicke in die Lage zu verschaffen. So etwas kommt an bei den Genossen zwischen Rhein und Ruhr - und auch bei den Wählern.
Wenn es nach SPD und Grünen geht, wird der Landtag Kraft zur Ministerpräsidentin wählen, noch bevor sich das Landesparlament Mitte Juli in die Sommerpause zurückzieht. Wie viel Zeit bis zur Ausrufung von Neuwahlen verstreicht, dürfte ungewiss bleiben. Dass diese aber vor dem Ablauf von fünf Jahren anberaumt werden, dürfte sicher sein, wenn sich an den Mehrheitsverhältnissen nichts ändert - von Kraft ist bekannt, dass sie in einer Minderheitsregierung keine Dauereinrichtung sieht
Quelle: ntv.de, Matthias Inverardi und Holger Hansen, rts