Dossier

Für Toleranz in Bulgarien Homosexuelle kämpfen

Die Schwulen und Lesben im jungen EU-Land Bulgarien haben einen überraschenden Etappensieg erzielt. Im letzten Monat empfahl der Parlamentsausschuss gegen Diskriminierung der Regierung, das Familiengesetz so zu ändern, dass auch Lebensgemeinschaften gleichgeschlechtlicher Paare erlaubt werden. Möglicherweise hatte die erste "Gay Pride"-Parade im vergangenen Juni den Anstoß für diesen Teilerfolg gegeben. Damals waren die rund 100 Teilnehmer noch zum Ziel von Attacken der rechtsradikalen Szene geworden. Die Parade-Route durch die Hauptstadt Sofia glich einem Schlachtfeld, da Nationalisten den friedlichen Umzug mit Feuerwerkskörpern, Steinen und Flaschen angriffen.

Die Intoleranz beginnt in Bulgarien schon in der Schule, wie eine Studie der heimischen Schwulen- und Lesben-Organisation Gemini zeigt. Fast ein Drittel der Schüler in der Oberstufe lehnt es danach ab, mit einem homosexuellen Mitschüler in einem Raum zu sitzen. Rund 15 Prozent der Schüler wollen keinen Homosexuellen zum Freund haben, stellte die von den Niederlanden finanzierte Studie fest. Kein Wunder, dass ein starkes Polizeiaufgebot die Schwulen und Lesben während ihres öffentlichen Umzuges schützen musste.

Unter Vorwand gefeuert

"In Bulgarien gibt es zum Thema Homosexualität keinen richtigen Dialog", sagt Gemini-Chefin Aksinija Gentschewa. Sie ist die Mutter eines Babys, das sie gemeinsam mit ihrer Freundin großzieht. Die 28-Jährige ist überzeugt, dass die von Gemini organisierte Parade "ein Erfolg" gewesen ist. "Wir haben gezeigt, dass es uns gibt und dass auch wir die gleichen Rechte haben", erklärt Gentschewa selbstbewusst. Ziel sei die Einhaltung der Gesetze des Landes auch bei Schwulen und Lesben.

"Weil ich anders bin, wurde ich im Hotelgewerbe gefeuert", erläutert die junge Aktivistin Teodora. Solche Entlassungen, die Gemini als Diskriminierung verurteilt, werden vom Arbeitgeber oft begründet mit angeblicher "Unfähigkeit, im Team zu arbeiten". Auch die Karriere von schwulen Lehrern endet nicht selten mit einer Entlassung. Gemini kennt die Horrorgeschichte eines 17-jährigen lesbischen Mädchens aus Sofia. Seine Eltern hätten versucht, es mit einer "Elektroschock-Therapie" zur "sexuellen Normalität" zu bekehren.

Rechtsextreme Hetze und Unverständnis

Der Chef der rechtsextremen Nationalen Union (BNS), Bojan Rassate, warf den Schwulen und Lesben vor, sie zwängen kleine Kinder, sich wie das andere Geschlecht zu kleiden und zu benehmen. In der Donaustadt Russe begannen BNS-Aktivisten, ein Verzeichnis von Homosexuellen aus Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur und Sport anzulegen. Es soll dem "Kampf gegen die Verbreitung von Homosexualität und sexuellem Kindesmissbrauch" dienen.

Auch die im Parlament vertretenen nationalistischen Parteien sind nicht toleranter. Sie verurteilten die "Gay Pride"-Parade als "Provokation gegen die Gesellschaft". Homosexualität sei "nichts Normales". Wenig Verständnis zeigen auch die christlich-orthodoxe Kirche sowie das Oberhaupt der Muslime, die ein Verbot für die Gay-Parade forderten. "Wir werden sie nicht wie im Alten Testament mit Steinen töten", sagte ein Sprecher des Heiligen Synods, der "Regierung" der orthodoxen Kirche: "Aber wozu ist eine solche Demonstration gut?".

Elena Lalowa, dpa

Quelle: ntv.de

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