Zu Gast beim Klassenfeind Honecker trifft Kohl
04.09.2007, 12:19 UhrGenugtuung hat Erich Honecker damals sicherlich verspürt. Der SED-Generalsekretär lächelte zumindest, als er vor 20 Jahren von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) vor dem Bonner Bundeskanzleramt mit militärischen Ehren begrüßt wurde. Dem 75 Jahre alten Staatsratsvorsitzenden der DDR war es trotz großer Widerstände aus der damaligen Sowjetunion gelungen, zum fünftägigen "Arbeitsbesuch" in den kapitalistischen Westen zu kommen. Allein damit hatte der gebürtige Saarländer eine Aufwertung seiner DDR erreicht.
Beim abendlichen Bankett am 7. September mahnte Kohl in einer - auch vom DDR-Fernsehen übertragenen - Tischrede die Wiedervereinigung und das freie Selbstbestimmungsrecht der Deutschen an. "Das Bewusstsein für die Einheit der Nation ist wach wie eh und je, und ungebrochen ist der Wille, sie zu bewahren", sagte Kohl. An eine rasche Wiedervereinigung oder gar den Fall der Mauer dachte damals aber wohl noch nicht einmal der Bundeskanzler.
Besuch bei Weizsäcker und Marx
Vielmehr durfte sich Honecker wie ein Staatsmann fühlen, als er nach der Unterzeichnung von drei Abkommen zur Umweltpolitik, dem Strahlenschutz und der wissenschaftlichen Zusammenarbeit auch mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker sowie fünf Ministerpräsidenten zusammenkam. Ebenfalls auf dem Programm: Ein Besuch im Geburtshaus von Karl Marx in Trier.
Vielmehr durfte sich Honecker wie ein Staatsmann fühlen, als er nach der Unterzeichnung von drei Abkommen zur Umweltpolitik, dem Strahlenschutz und der wissenschaftlichen Zusammenarbeit auch mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker sowie fünf Ministerpräsidenten zusammenkam. Ebenfalls auf dem Programm: Ein Besuch im Geburtshaus von Karl Marx in Trier.
In seinem eigenen Geburtsort im saarländischen Wiebelskirchen und in Saarbrücken traf der frühere Dachdeckergehilfe Honecker dann mit dem SPD-Hoffnungsträger und Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine zu einem Meinungsaustausch zusammen. Beide hätten es bei diesem Treffen wohl als Scherz bezeichnet, wenn jemand behauptet hätte, dass Lafontaine zwei Jahrzehnte später Vorsitzender der unter anderem aus der SED hervorgegangenen Partei Die Linke sein und sich mit der SPD im politischen Dauerstreit befinden würde.
Nach dem Staatsempfang ins Gefängnis
Zum Abschluss der Reise, nach einer Kranzniederlegung im Konzentrationslager Dachau, empfing der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) den SED-Generalsekretär in München wie einen vollwertigen ausländischen Staatsgast.
Zwei Jahre später stürzte die friedliche Revolution in der DDR die SED-Führung ins Chaos, am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. An ihrem Bau war Honecker als Sicherheitssekretär der SED maßgeblich beteiligt gewesen. Der einstige starke Mann der DDR, der am 18. Oktober 1989 auf Druck seines kurzzeitigen Nachfolgers Egon Krenz zurücktrat, starb 1994 als pflegebedürftiger Greis in Chile. Zuvor war er nach Moskau geflohen und saß im Berliner Gefängnis Moabit in Haft.
Bei seinem Besuch in Bonn 1987 ahnten weder Honecker noch seine westdeutschen Gesprächspartner, dass sich die DDR zwei Jahre später auflösen und Deutschland am 3. Oktober 1990 wiedervereinigen würde. Vor seinem Tod schrieb Honecker, die DDR sei "nicht umsonst" gegründet worden. "Sie hat ein Zeichen gesetzt, dass Sozialismus möglich und besser sein kann als Kapitalismus." Über die Opfer der SED-Diktatur und die Toten an der innerdeutschen Grenze schwieg er sich aus.
Von Christian Jung, dpa
Quelle: ntv.de