Am Horn von Afrika Hungerkatastrophe droht
24.07.2008, 14:30 UhrKonechoro Jarbo mustert besorgt die ausgedörrte rote Erde in Galesa, einem Dorf in der Halbwüste im Norden Kenias. Der hagere 44-jährige Viehzüchter findet kaum noch genügend Weideland für seine Ziegen und Schafe. Gerne würde er einen Teil seiner Tiere verkaufen. "Aber der Markt ist zusammengebrochen, die Leute haben wegen der hohen Lebensmittelpreise kein Geld für Fleisch", sagt er resigniert. Auch die Bauern in der Region werden von schweren Sorgen geplagt und warten zunehmend verzweifelt auf Regen. Und Galesa ist kein Einzelfall.
Nicht nur in Kenia, sondern auch in Äthiopien, Eritrea, Somalia, Dschibuti und im Norden Ugandas sind die Ackerböden nach drei Dürrejahren ausgetrocknet, Mais und Getreide wachsen nur noch spärlich. Mit jeder Dürre, jeder mageren Ernte verschlechterten sich die Anbaubedingungen. Wenn der Regen im September ausbleibt, droht am Horn von Afrika eine Hungerkatastrophe. Schon jetzt überschlagen sich die schlechten Nachrichten von Hilfsorganisationen und UN.
Immer mehr Unterernährte in Krankenhäusern
"In den vergangenen vier Monaten stieg die Zahl der Kinder, die wegen schwerer Unterernährung in Krankenhäuser gebracht wurden, um 400 Prozent", klagt etwa Beatrice Spadacini von Care International. "In Äthiopien ist der Anteil schwer unterernährter Kinder dramatisch gestiegen", berichtet auch Susan Sanders von Ärzte ohne Grenzen (MSF).
In den besonders schwer von Dürre getroffenen Gebieten sind nicht nur die Vorräte aufgebraucht, viele Bauern haben bereits ihr Vieh verloren. Kinder mit aufgeblähten Hungerbäuchen prägen zunehmend das Bild in den Regionen der Sahelzone. "Nicht einmal Begriffe wie Katastrophe werden dem Leid der Menschen in Somalia gerecht", sagt Kenneth Lavelle, Leiter des MSF-Einsatzes in Somalia.
Erst vor wenigen Tagen wandten sich Vertreter verschiedener UN-Organisationen mit einem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit. Rund 15 Millionen Menschen am Horn von Afrika sind nach Einschätzung des Welternährungsprogramms (WFP) akut von Hunger bedroht. Die Lebensmittel müssen unverzüglich in die Region geschafft werden, um eine ähnliche Hungerkatastrophe wie in den frühen 90er Jahren zu verhindern.
Treibstoffpreise belasten die Situation zusätzlich
Doch angesichts der hohen Lebensmittel- und Treibstoffpreise wird die Hilfe immer schwieriger. "Wir müssen die Lebensmittel derzeit in Indien oder Südafrika kaufen statt etwa in Äthiopien", sagt WFP- Sprecher Peter Smerdon. Denn wenn die UN-Mitarbeiter in den Regionen, die noch ausreichend Lebensmittel produzieren, für die von Hunger bedrohten Landesteile Getreide kauften, drohten die Preise noch weiter zu steigen. Doch gleichzeitig wird es wegen der weiteren Transportwege immer teurer, Nahrungsmittel zu den Hungernden zu bringen. Dabei musste das WFP schon jetzt Getreide rationieren, um eine möglichst große Zahl von Menschen zu versorgen.
"Wir verfügen nur über 35 Prozent der erforderlichen Finanzmittel, und wir haben nur wenige Monate, um auf die Krise zu reagieren", warnt Mark Bowden, UN-Koordinator für Humanitäre Hilfe in Somalia. Im Fall Somalias kommt hinzu, dass die angespannte Sicherheitslage und die zahlreichen "Wegezoll" fordernden Straßensperren den Transport von Lebensmitteln in dem Krisenstaat zusätzlich verteuern. 95 Prozent der Lebensmittel werden auf dem Seeweg nach Mogadischu geliefert, doch viele Schiffseigner weigern sich wegen der zahlreichen Piratenüberfälle vor der somalischen Küste, Transporte für das WFP zu übernehmen. Seit Wochen bemüht sich die UN daher um bewaffnete Eskorten - bislang vergeblich.
Eva Krafczyk, dpa
Quelle: ntv.de