Dossier

Rechtmäßigkeit der Kosovo-Unabhängigkeit IGH-Gutachten mit Spannung erwartet

Die Waffen schweigen schon lange. Doch das Ringen um das Kosovo geht weiter. Nun erklärt das Weltgericht in Den Haag, was es von der Unabhängigkeit des Kosovo hält.

Menschen feiern die Unabhängigkeit des Kosovo in Pristina.

Menschen feiern die Unabhängigkeit des Kosovo in Pristina.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der Spruch der 15 Richter im prächtigen Friedenspalast von Den Haag wird mit Spannung erwartet. Wochenlang hatten mehr als 170 Völkerrechtler zahlreicher Staaten - darunter Deutschland - vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) Argumente pro und kontra Kosovo-Unabhängigkeit vorgetragen. Doch was immer das höchste Gericht der Vereinten Nationen an diesem Donnerstag erklärt: Dass sich noch etwas ändert an der Unabhängigkeit der "Wiege der serbischen Geschichte", wie die Vertreter Belgrads ihre verlorene Provinz nannten, glaubt in Den Haag kaum jemand.

"Wir erwarten eine Stellungnahme, aus der mit gutem Willen alle Seiten politischen Honig saugen können", sagt ein europäischer Diplomat in Den Haag. "Vermutlich wird sie Serbien teilweise recht geben, aber zugleich deutlich machen, dass am Status quo nicht mehr zu rütteln ist." Damit wäre ein Gesichtsverlust für die Belgrader Führung und ihre Unterstützer abgewendet. Ebenso wie eine juristisch-politische Blamage für die 69 Länder, die das Kosovo bislang als jüngsten Staat der Welt anerkannt haben - unter ihnen die USA sowie Deutschland und 21 weitere EU-Mitglieder.

Schwere Herausforderung für Rechtsordnung

Die Unabhängigkeitserklärung des kosovarischen Parlaments im Februar 2008 hatte Serbiens Vertreter Dusan Batakovic in Den Haag als "schwerste Herausforderung der internationalen Rechtsordnung" gebrandmarkt. Ähnlich dramatische Geschütze fuhren Russland und China auf. Die Gründe für ihre Unterstützung Belgrads sind ebenso nachvollziehbar wie die des NATO-Mitglieds Spanien. Wer es im eigenen Staat mit Basken, Tibetern oder Kaukasus-Völkern zu tun hat, möchte Kosovo nicht unbedingt zum Präzedenzfall werden lassen.

Die Gefahr ist freilich relativ gering, denn was immer die IGH-Richter zur Frage der Rechtmäßigkeit der Kosovo-Unabhängigkeit erklären, ist lediglich eine Einschätzung, kein Urteil. Wohlweislich hatte Serbien nicht Kurs genommen auf eine mögliche, aber angesichts des Wunsches nach EU-Mitgliedschaft wohl allzu konfrontative Klage wegen Bruch des Völkerrechtes. Man beließ es bei der Bitte an die UN-Vollversammlung, den IGH mit einem Rechtsgutachten zu beauftragen.

Gratwanderung zwischen den Grundsätzen

Serbien möchte noch immer seine frühere Albaner-Provinz Kosovo zurück haben, während für die Albaner nur die gegenseitige Anerkennung in Frage kommt.

Serbien möchte noch immer seine frühere Albaner-Provinz Kosovo zurück haben, während für die Albaner nur die gegenseitige Anerkennung in Frage kommt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Dafür bekam Serbien eine knappe Mehrheit, und für die IGH-Richter begann eine juristische Gratwanderung zwischen den zwei wichtigsten Grundsätzen des Völkerrechts: Dem Anspruch auf territoriale Integrität, wie ihn Serbien geltend macht, und dem Selbstbestimmungsrecht eines Volkes, in diesem Fall der übergroßen albanischen Bevölkerungsmehrheit im Kosovo.

"Es ist unvorstellbar, dass wir dem Ruf Serbiens folgen, die Uhren zurückzudrehen", hatte der kosovarische Außenminister Skender Hyseni vor dem IGH gesagt. Später erklärte Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner bei einer Sondersitzung des Parlaments in Pristina: "Niemand kann diesen Fluss der Geschichte ändern und man sollte das akzeptieren." Kosovo und Serbien würden "eines Tages" der EU als unabhängige Staaten angehören.

"Kosovo ist weg und basta!"

Dennoch hofft Belgrad nach Darstellung von Außenminister Vuk Jeremic mit Hilfe des IGH-Gutachtens bei den UN eine neue Resolution durchsetzen zu können. Sie soll neue Verhandlungen über den staatsrechtlichen Status des Kosovos ermöglichen. Vor einem solchen Schritt haben die USA und die EU das Balkanland bereits gewarnt. Er werde zur offenen Konfrontation Serbiens mit den Staaten führen, die das Kosovo anerkannt haben.

Kritiker der serbischen Regierung erwarten zudem, dass Belgrad die Kosovo-Frage erneut für innenpolitische Zwecke missbrauchen wird. Eine nationalistisch aufgeheizte Stimmung im Lande könne bestens von ausbleibenden Reformen, einer daniederliegenden Wirtschaft und der grassierenden Korruption ablenken. Hunderte Bürger hatten in den letzten Tagen in Leserbriefen eine Volksabstimmung über das Kosovo verlangt. "Das gäbe eine Überraschung", wurde den Politikern ins Stammbuch geschrieben: "75 Prozent der Serben sind für ein unabhängiges Kosovo". Während immer mehr Bürger der Parole "Kosovo ist weg und basta!" zustimmen, setzt die Regierung einmal mehr auf die nationale Karte.

Quelle: ntv.de, Thomas Burmeister und Thomas Brey, dpa

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