Müll auf die Brühe Indonesiens Stink-Fontäne
04.03.2007, 12:28 UhrVon Hommy Dara, n-tv Asienkorrespondent
Es ist eine jener Geschichten, wo der Mensch als mutmaßlicher Übeltäter selbst für die Verzweifelung verantwortlich ist: Seit Monaten wird gerätselt, wie der unerlaubte Eingriff in die Natur rückgängig gemacht werden kann. Die Rede ist vom Schlammvulkan auf der indonesischen Hauptinsel Java.
Eine Explorationsbohrung der indonesischen Firma Lapindo Brantas am 29. Mai 2006 unweit der Millionenstadt Surabaya sorgte vermutlich für das Unglück, das bis heute seinen Lauf nimmt. Denn bei der Suche nach neuen Erdgasquellen, bohrten Arbeiter unter fast krimineller Vernachlässigung der Sicherheitsvorschriften, ein 3.000 Meter tiefes Loch in Erdreich, das auf eine unterirdische Schlammblase traf. Was mit Eruptionen von etwa 7.000 Kubikmetern übel riechender, kochender Brühe begann, wurde nach und nach zu einem gigantischen Meer aus Schlamm. Bisher sind 20.000 Menschen durch den Schlamm vertrieben worden, diverse Lager, Fabriken sowie mindestens vier Dörfer darunter begraben. Felder können nicht mehr bestellt werden. Viele Bauern haben ihre gesamte Existenz verloren.
Laut dem Fachblatt GEO fließen etwa 200.000 Kubikmeter Schlamm pro Tag aus dem Berg. Hierzu ein Vergleich: Der Commerzbank-Tower in Frankfurt am Main ist das höchste Gebäude Deutschlands. Der Schlamm aus dem Erdloch würde reichen, alle zwei Tage das Gebäude von der ersten bis zur letzten Etage mit Schlamm zu füllen. Alle Versuche die Katastrophe zumindest zu bremsen, sind bislang fruchtlos geblieben.
Noch erschreckender als die Resignation gegenüber dem Problem ist die Ungewissheit, wann der Quell der sprudelnden Stinkbrühe endlich versiegt. Wissenschaftler sind sich einig, dass keine seriösen Vorhersagen gemacht werden können, wann die Fontäne versickern wird. Da der Schlamm selbst als nicht giftig gilt, planen jetzt Forscher eine Abführung der Schlammmassen ins offene Meer. Früher oder später werde dies ohnehin geschehen, so die Wissenschaftler. Dies verhindern zu wollen, wäre genauso als ob man den Nil daran hindern wollte, ins Meer zu fließen, so ein norwegischer Geologe.
Aber Indonesien wäre nicht Indonesien wenn es nicht auch bei dieser Tragödie mindestens eine zweifelhafte Verbindung in die Politik gäbe. Der amtierende Sozialminister des Inselreiches Aburizal Bakrie ist nämlich indirekt an Lapindo Brantas über seine Familie beteiligt. Die Milliardärsfamilie hatte einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der Finanzierung des Wahlkampfes von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono. Anfängliche Versuche des Unternehmens, die Verantwortung von sich zu weisen, sorgten für so helle Empörung, dass der Präsident sich gezwungen sah, ein Machtwort zu sprechen. Der Schaden von 140 Millionen Euro müsse von Lapindo Brantas getragen werden. Aber auch in dieser Situation erwies sich der Sozialminister als kluger Geschäftsmann. Er kauft nämlich jetzt die Ländereien auf, statt eine Entschädigung im juristischen Sinne zu bezahlen. Sollten die Eruptionen eines Tages stoppen, besitzt er rund zehn Quadratkilometer Land, das dann neu verwendet werden kann. Notfalls, so hört man aus Kreisen von Betriebswirtschaftlern, werde das Gebiet als Mülldeponie herhalten. Das Geschäft mit dem Unrat gilt als ein Milliardenmarkt in ganz Asien.
Quelle: ntv.de