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Stolperstein für EU-Beitritt? Island ringt um Walfang-Tradition

Walschützer hoffen auf einen EU-Beitritt Islands - ohne eine Ausnahmeklausel für den Walfang.

Walschützer hoffen auf einen EU-Beitritt Islands - ohne eine Ausnahmeklausel für den Walfang.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Islands Voraussetzungen für einen schnellen EU-Beitritt können kaum besser sein. Ein Streitpunkt ist jedoch der Walfang. Reykjavik fordert eine Ausnahmeklausel.

Für Islands Walfänger brechen schlechte Zeiten an. Die Jagd auf die Meeresriesen gilt als Haupthindernis für die EU-Beitrittsverhandlungen des Landes. Besonders Deutschland und Großbritannien drängen die Regierung in Reykjavik zum Verzicht auf die umstrittene Tradition.

Eigentlich hat Island beste Voraussetzungen für einen schnellen EU-Beitritt. Der Inselstaat im Nordatlantik gehört dem Europäischen Wirtschaftsraum an sowie dem Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen. Da Island drei Viertel der notwendigen europäischen Gesetze bereits umgesetzt hat, stimmte der EU-Gipfel Mitte Juni der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu. Die Regierung in Reykjavik rührt nun die Trommel für eine Mitgliedschaft ab 2012.

Ein "Selbstläufer" sei das aber nicht, sagt ein EU-Diplomat. Als wichtigste Stolpersteine gelten die Fischerei und der Walfang. Letzterer ist nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Wale und Delfine sind in Anhang IV der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU gelistet. Damit dürfen die Tiere innerhalb der europäischen Gewässer weder gefangen noch getötet werden.

Reykjavik fordert Ausnahmeklausel

"Wenn Island den Walfang zu kommerziellen oder Forschungszwecken weiter betreiben will, gibt es ein politisches Problem", sagt ein Vertreter eines Mitgliedslandes. Eine solche Ausnahmeklausel fordert aber Reykjavik.

Unter den 27 EU-Staaten pochen besonders Deutschland und Großbritannien auf ein Walfangverbot als Voraussetzung für einen EU-Beitritt. Der Deutsche Bundestag rief die Regierung am 10. Juni auf, sich bedingungslos für den Walschutz in der EU einzusetzen. Die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP sowie die SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern in dem gemeinsamen Antrag, den "wissenschaftlichen" Walfang zu beenden, den auch Island betreibt.

Zu "Forschungszwecken" erlaubt Island nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace seinen Fischern auch in diesem Jahr die Tötung von rund 150 Finnwalen. Finnwale stehen als besonders gefährdete Art auf der roten Liste der Weltnaturschutzunion.

Kaum wirtschaftliche Bedeutung

Dabei ist die wirtschaftliche Bedeutung der Waljagd gering, die isländische Fangflotte beschränkt sich auf ein paar Dutzend Schiffe. "Es ist eher eine Frage der Unabhängigkeit, der emotionalen Befindlichkeit und des Nationalismus", sagt der isländische Politikwissenschaftler Eiríkur Bergmann. Nach Angaben von Greenpeace hatten Islands Walfänger im vergangenen Jahr sogar Schwierigkeiten, die 1500 Tonnen harpunierten Walfleischs zu verkaufen.

In Island mehren sich deshalb die Stimmen, die einen Verzicht auf die umstrittene Tradition fordern. "Wenn die Waljagd sich als Haupthindernis für einen EU-Beitritt herausstellt, sollten wir unsere Position überdenken", sagt der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses im isländischen Parlament, Arni Thor Sigurdsson. Das letzte Wort haben aber die gut 300.000 Isländer. Sie sollen einer EU-Mitgliedschaft in einem Referendum zustimmen.

Quelle: ntv.de, Yann Ollivier, AFP

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