Von Gibraltar bis Wladiwostok Italien macht Wahlkampf
01.04.2008, 08:02 UhrWo Enrico Letta auftaucht, geht es um die große Politik. Der 41-jährige Staatssekretär in der Regierungszentrale von Italiens scheidendem Ministerpräsidenten Romano Prodi gilt als Strippenzieher und Vermittler zwischen den Streithähnen der mittlerweile zerbrochenen Mitte-Links-Koalition. So musste es auf den ersten Blick verwundern, dass Letta jüngst in Berlin erschien, um die unbekannte Kandidatin Laura Garavini bei ihrer Kampagne für die Parlamentswahl am 13. April zu unterstützen. Auf den zweiten Blick zeigt die Visite des Spitzenpolitikers aber vor allem, wie sehr die Auslands-Italiener den Politikern in Rom am Herzen liegen.
Schließlich wurde die Wahl 2006 auch im Wahlkreis Europa entschieden. Die Auslands-Italiener bescherten Mitte-Links eine hauchdünne Mehrheit im Palazzo Madama, dem Senat. Diesmal sind rund 1,5 Millionen Italiener, die im europäischen Ausland leben, zur Abstimmung aufgerufen. Sie bestimmen sechs Abgeordnete aus zehn Listen und zwei Senatoren aus neun Listen. Und auch diesmal könnten die Auslands-Italiener zum Zünglein an der Waage werden: Zwar führt das Mitte-Rechts-Bündnis von Silvio Berlusconi in aktuellen italienischen Umfragen mit fünf bis zehn Punkten, was die Abgeordnetenkammer angeht. Bei den Umfragen für den Senat aber liegt das Links-Bündnis von Walter Veltroni zurzeit nahezu gleichauf.
Terminkalender wie ein Außenminister
Für alle Kandidaten ist es eine Kampagne der langen Wege - der Wahlkreis Europa erstreckt sich von Gibraltar bis Wladiwostok. Der Terminkalender von Laura Garavini etwa erinnert an den eines Außenministers. Die 41-jährige Norditalienerin, die in Berlin lebt und auf der Liste von Veltronis Partito Democratico (PD) kandidiert, hat bereits Veranstaltungen in London, Hamburg, Brüssel und Köln hinter sich. Zwischendurch gibt sie noch Interviews. Da beeindruckt es dann doch nicht mehr sonderlich, dass Staatssekretär Letta in Berlin betonte, er habe "Salti mortali" vollführt, um sich aus Rom loszueisen und Garavini zu unterstützen.
Auch Mario Caruso aus Neulingen bei Pforzheim pendelt seit Wochen zwischen Deutschland, Belgien und Frankreich, um potenzielle Wähler zu besuchen. "Es ist sehr anstrengend, aber es macht Spaß. Sonst würde ich es nicht tun", sagt der 52-Jährige, der für Berlusconis "Popolo della Libert" (Volk der Freiheit) in die Abgeordnetenkammer einziehen will. Beide Kandidaten werden am Ende der Kampagne 40.000 Kilometer gereist sein. Den Wahlkampf, der auch per E-Mail und Mundpropaganda geführt wird, finanzieren sie zunächst aus eigener Tasche und aus Spenden. "Vielleicht gibt es Unterstützung aus Rom", sagt der gebürtige Sizilianer Caruso, der seit 34 Jahren in Deutschland lebt. "Das weiß ich aber noch nicht." In jedem Fall kann er auf ideelle Unterstützung von ganz oben bauen: Silvio Berlusconi hat in Millionenauflage einen Wahlaufruf ins europäische Ausland verschickt.
Vielleicht ist aber auch alles umsonst. Vielleicht werden weder Garavini noch Caruso zu den sechs Auserwählten gehören, die in den Palazzo Montecitorio, die Abgeordnetenkammer, einziehen dürfen. Dass die italienische Botschaft den etwa 450.000 Wahlberechtigten in Deutschland inzwischen die für die Briefwahl notwendigen Unterlagen zugesandt hat, muss jedenfalls nicht viel heißen. Die Briefwahl aus dem Ausland ist nach einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2001 erst zum zweiten Mal möglich - und nicht jedem Auslands-Italiener scheinen seine neuen Rechte wichtig zu sein. "Ich habe neulich eine junge Italienerin in einem Restaurant gefragt, ob sie die Unterlagen schon bekommen hat", erzählt Mario Caruso. "Sie hatte sie weggeworfen."
Von Axel Klauwer, dpa
Quelle: ntv.de