Dossier

Düstere Wachstumsprognosen Italiens Wirtschaft

Die Wirtschaftsperspektiven in Italien verdüstern sich zunehmend, doch im Wahlkampf will kein Politiker das heiße Eisen anpacken. "Wir können keine Wunder wirken und auch nicht versprechen", stellte die konservative Bewegung von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi in ihrem Manifest lapidar fest. Noch Anfang des Jahrzehnts hatte der Medienmogul vollmundig ein Wirtschaftswunder versprochen, das jedoch nie eintrat. Nun wirft er der Linken vor, Italien in den Ruin getrieben zu haben. Der Multimilliardär will zum dritten Mal an die Schalthebel der Macht, doch mit Wachstumsversprechen hält sich "Il Cavaliere" diesmal zurück.

Auch sein linker Rivale Walter Veltroni hat keine Patentrezepte parat, wie die wirtschaftliche Talfahrt zu stoppen ist. Mehr als vage sagt der frühere Bürgermeister von Rom zu, die Staatsausgaben zu drücken. An dieser Mammutaufgabe scheiterte jedoch schon so manche Regierung. Der Soziologe Giuseppe De Rita hat den Kandidaten jüngst empfohlen, auf Wahlkampfprogramme zu verzichten, da sie in den Augen der Bürger ohnehin Muster ohne Wert seien.

Leder und Textil im Hintertreffen

Dabei besteht in der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone dringender Handlungsbedarf. "Italien ist im Kreis der großen Vier der Euro-Zone nur im hinteren Feld zu finden", sagt Konjunkturchef Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Es ist schon enorm, was das Land wegen der Euro-Stärke verkraften muss", meint der Ökonom Andreas Scheuerle von der DekaBank.

Anders als Deutschland, das mit hochwertigen und spezialisierten Produkten im Export punkte, könne Italien mit Standardgütern nicht so gut im internationalen Wettbewerb bestehen. Insbesondere bei den einstigen Ausfuhrschlagern Leder und Textilien gerate das südeuropäische Land gegenüber China und anderen Niedriglohnländern immer stärker ins Hintertreffen. Hinzu komme der schwächelnde private Konsum, sagt Scheuerle.

Nur 0,3 Prozent Wachstum

Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet nach vorab an die Presse gelangten Informationen damit, dass die Wirtschaft Italiens dieses Jahr nur noch um 0,3 Prozent wachsen wird. Die Regierung in Rom hatte jüngst ihre Prognose von 1,5 auf 0,6 Prozent heruntergesetzt. Der Arbeitgeberverband Confindustria befürchtet gar, dass die Wirtschaft dieses Jahr überhaupt nicht wachsen wird. Mit Spannung werden daher die Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Schlussquartal 2007 und dem ersten Vierteljahr 2008 erwartet, die voraussichtlich erst im Mai vorgelegt werden. "Im vierten Quartal 2007 dürfte es nach unten gegangen sein. Sollte die Wirtschaft auch im Auftaktquartal 2008 geschrumpft sein, wären die Bedingungen für eine technische Rezession gegeben", sagt Scheuerle.

Zuletzt hatten sich die negativen Nachrichten gehäuft. Im letzten Quartal 2007 war die Arbeitslosenzahl erstmals seit Ende 2004 nicht mehr zurückgegangen. Im März mussten die Verbraucher die höchste Teuerungsrate seit über zehn Jahren verkraften. Weitere Hiobsbotschaften kamen vom Verarbeitenden Gewerbe: Erstmals seit fast drei Jahren schrumpfte der Sektor. Angesichts der düsteren Konjunkturaussichten empfiehlt das britische Wirtschaftsmagazin "The Economist" den Italienern, für Veltroni zu stimmen. Von Berlusconi erwartet das Magazin keine Wunder mehr: Er sei "ungeeignet, Italien zu führen".

Von Gavin Jones und Reinhard Becker, Reuters

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen