Dossier

Dirk Niebel im Interview Jamaika wäre besser

Die FDP hat den Wiedereinzug in die Bremer Bürgerschaft erreicht. Auch für zukünftige Landtagswahlen sieht Generalsekretär Dirk Niebel Land in Sicht. Ob es die Küste von Jamaika ist, beantwortet er im Gespräch mit n-tv.de.

n-tv.de: Herr Niebel, Glückwunsch zum Wiedereinzug in den Bremer Landtag. Aber Sie sehen so ausgeschlafen aus. War die Wahlparty etwa nicht schön?

Niebel: Ich sehe mit Sicherheit nicht ausgeschlafen aus. Wir hatten gestern noch verschiedene Sitzungen, weil wir ja einen Bundesparteitag vorzubereiten haben. Und da gab es sehr inhaltsreiche Diskussionen.

Den Liberalen ist der Einzug in die Bürgerschaft gelungen – die CDU enttäuscht aber weiter. Mit welcher Partei wollen Sie eigentlich wieder an die Macht kommen?

Es ist offenkundig, dass die so genannte große Koalition die Linken gestärkt hat. Und eine sich mehr und mehr sozialdemokratisierende Union fördert die Kommunisten in Deutschland, das muss man so deutlich sagen. Auf Bundesebene gibt es verschiedene Umfragen, die Zweierkonstellationen möglich erscheinen lassen. Entscheiden können das die Wähler. Wir haben 1996 in Baden-Württemberg gesehen, dass nach einer Großen Koalition in einem Fünf-Parteien-Parlament eine stabile Zweierkonstellation möglich ist – und das ist unser Ziel.

Stabile Zweierkonstellation heißt: CDU und FDP?

Im Moment sehe ich bei der SPD nicht, wie man mit ihr auf Bundesebene regieren könnte.

Was ist denn mit einer Reise nach Jamaika? Sie sind ja ein erklärter Fan davon und haben mal gesagt, das wäre bereits 2005 die bessere Alternative gewesen.

Ich bin kein erklärter Fan von Jamaika. Aber im Vergleich zu dem, was die große Koalition bietet, hätte es sich nach der letzten Wahl gelohnt, intensiver herauszufinden, welche Schnittmengen und welche Unverträglichkeiten es gibt. Ich glaube, insgesamt wären die Schnittmengen größer gewesen als das, was diese zerrüttete Koalition zurzeit auf den Weg bringt. Jamaika wäre insofern nur eine Notlösung.

Wenn man den Wähleranalysen Glauben schenkt, haben FDP und Grüne ein relativ ähnliches Klientel: jung, gebildet, überdurchschnittliches Einkommen. Insgesamt sind das über 20 Prozent. Wann wollen die FDP und die Grünen als kleine Parteien dieses Wählerpotenzial gemeinsam nutzen?

Wir sind eine mittelgroße Partei auf Bundesebene und haben einen überproportionalen Zuwachs in der Wählerschaft bei Arbeitslosen und Facharbeitern. Das sind diejenigen, die sich durch eine andere Politik bessere Chancen für ihr Leben erhoffen. Dennoch bleibt unser Ziel eine Zweierkonstellation. Wenn das rechnerisch nicht möglich ist, muss man sondieren. Aber da scheidet für uns eine klassische Ampel aus – die hätten wir haben können. Herr Schröder und Herr Fischer haben ja Angebote gemacht noch und nöcher. Ich glaube, so viele Minister hätte die FDP noch nie gehabt. Aber es wäre unglaubwürdig gewesen, weil wir eine andere Politik wollen. Zwischen Union, Grünen und uns hätte es mehr Schnittmengen gegeben als es zwischen Schwarz und Rot der Fall ist. Aber das ist gescheitert an den Grünen und der CSU. Die Grünen waren nicht bereit dazu – und Stoiber war nicht in der Lage, seinen Landwirten Frau Künast zu vermitteln, wofür ich ein gewisses Verständnis habe.

Das Image der FDP ist ja immer noch Apotheken-Lobbyismus und mangelndes soziales Gespür. Oder ist das eine falsche Wahrnehmung?

Ihre Vorurteile haben mit der Wirklichkeit gar nichts zu tun. Die FDP ist die einzige Partei, die in allen Bevölkerungsschichten einen gleich hohen Wählerzuspruch hat. Sie ist übrigens auch die einzige Partei, die in Sachen Mitgliederzahl Zuwachs verzeichnet. Wir gewinnen zusehends bei den Unter-35-Jährigen, das ist ein gutes Zeichen. Wir sind also eine Partei mit einem Angebot für die gesamte Gesellschaft. Liberale Politik nutzt allen Menschen – und eine bessere Wirtschafts- und Steuerpolitik ist der einzige Weg, auch eine bessere Sozialpolitik gewährleisten zu können.

Sie nehmen für sich Fortschrittlichkeit in Anspruch und haben ja auch als bisher einziger männlicher Bundestagsabgeordneter Erziehungsurlaub genommen. In welchen Punkten bezeichnen Sie die FDP als modern?

Wir sind weltoffen und gehen optimistisch an neue Entwicklungen heran. Die Grünen sind eher ängstlich und sehen beispielsweise technologische Entwicklungen immer erstmal als große Gefahr an. Dadurch klammern sie die Chancen komplett aus.

Sie waren kurz Mitglied in der CDU. Da war es Ihnen zu langweilig, Sie wollten etwas bewegen. Wie sehen heute Ihre Visionen für einen längeren Zeitraum aus?

Ich bin mit 18 aus der CDU ausgetreten – nicht nur, weil es langweilig war, sondern auch, weil sie nicht meine politische Heimat gewesen ist. Ich bin zu den Liberalen gegangen, weil ich Toleranz als enorm wichtig ansehe und mein Lebensmotto "leben und leben lassen" in der CDU so nicht umsetzbar ist. Ich schätze den mündigen Bürger – er soll im Mittelpunkt des politischen Handelns stehen. Wir sind alle Erwachsene und keine Taschengeldempfänger. Wir müssen die Gelegenheit haben, Dinge erstmal alleine zu regeln, ehe Vater Staat dazwischen quatscht. Der Bürger ist Träger aller Rechte.

Zu Ihnen persönlich: Sie haben mal damit kokettiert, Bundespräsident zu werden…

Bitte?

In einem Interview sagten Sie "Ich bin jetzt über 40 – und könnte Bundespräsident werden"…

Das ist die Darstellung der Rechtslage.

Aber wie sehen Ihre persönlichen Ambitionen denn nun aus?

Ich bin Generalsekretär der Freien Demokratischen Partei. Mein Bundesvorsitzender hat gestern gegenüber den Parteigremien gesagt, dass er mich für eine weitere Amtszeit vorschlagen möchte. Ich kann mir kaum ein schöneres Amt vorstellen.

In Hessen, Niedersachsen, Hamburg und Bayern wird nächstes Jahr gewählt. Wie steht es mit Ihren Erwartungen?

Ich gehe davon aus, dass wir in Niedersachsen die Regierungsbeteiligung mit einer stärkeren FDP fortsetzen und in Hessen nach dem Verlust der absoluten Mehrheit für Herrn Koch wieder in die Regierung eintreten. In Hamburg haben wir sehr gute Chancen, wieder parlamentarisch zu werden und in die Regierung zu kommen. Nach der Nominierung von Herrn Naumann ist nämlich klar: Wenn es für Rot-Grün reicht, wird es auch Rot-Grün geben – das muss auch Ole von Beust wissen. Und in Bayern haben wir angesichts des desaströsen Eindrucks, den die CSU vermittelt, gute Chancen, ins Parlament einzuziehen. In der letzten Umfrage lagen wir bei etwa sechs Prozent und haben uns damit außerordentlich gut stabilisiert. Ich habe also eine positive Erwartung für das kommende Jahr – mit der Hoffnung, dass diese unerträgliche Stillstandskoalition auf Bundesebene vielleicht früher als 2009 endet.

(Die Fragen stellten Tilman Aretz und Jochen Müter)

Quelle: ntv.de

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