Vom Skandal zum Wahlsieg Jetzt regiert Johnson
03.05.2008, 12:45 UhrÜber Boris Johnson haben Londoner Kommentatoren oft gesagt, er sei inzwischen so berühmt, dass jedermann ihn selbst von hinten leicht erkennen würde. Allerdings gehe die Prominenz des leicht übergewichtigen Talkshow-Gastgebers und Journalisten bislang nicht unbedingt auf große Ideen, sondern eher auf eine Reihe von "falschen Gründen" zurück.
Dass der 43-Jährige im Kampf um das Londoner Bürgermeisteramt gegen den altgedienten Labour-Linken Ken Livingstone bestehen konnte, verdankt Johnson wohl zu einem nicht geringen Teil seinem politischen Gegner. Der 62-jährige "rote Ken" hat in den vergangenen Wochen neben seiner berühmt-berüchtigten Arroganz vor allem Amtsmüdigkeit demonstriert.
Johnson hingegen wirkte mit seinen zerzausten blonden Haaren und seinem aufgeregten Blick so aufgekratzt und von sich selbst überzeugt, wie man das wohl vom Spitzenmann einer der aufregendsten Millionenmetropolen der Welt erwartet. Und wie einst Livingstone, der sich in seinen besten Zeiten gern mit der politischen Machtelite sogar seiner eigenen Labour-Partei anlegte und auf "politische Korrektheit" pfiff, kommt der ausgefallen Stil des in New York geborenen Alexander Boris de Pfeffel Johnson bei vielen Londonern gut an.
Johnson politisch unkorrekt
In der Themse-Metropole konnten Politiker halt schon immer - anders als in der gutbürgerlichen sittsamen "Countryside" - mit Ausgefallenheit punkten. Davon bot Johnson bislang reichlich Kostproben. Zu den Boris-Johnson-Skandalen, die im Königreich die Runde machten, gehörte, dass er einst als Chefredakteur des konservativen Wochenmagazins "The Spectator" einen umstrittenen Kommentar verteidigte. Darin war der Bevölkerung Liverpools von oben herab vorgeworfen worden, "im Opfergram zu waten", nachdem ihr Mitbürger Ken Bigley im Irak von Terroristen als Geisel genommen und grausam ermordet wurde.
Johnson übte sich im politischen Spießrutenlaufen - und entschuldigte sich bei mehrfachen Reisen in die Hafenmetropole persönlich bei deren Bürgern. Um Verzeihung musste er auch Bürger von Papua Neu-Guinea bitten, nachdem er den Inselstaat mit "Kannibalismus und Häuptlingstötung" in Verbindung gebracht hatte. Schlagzeilen machten zudem außereheliche Affären und rüpelhafte Auftritte im Unterhaus, die fast dazu geführt hätten, dass der frühere Tory-Chef Michael Howard ihn aus der Partei geworfen hätte.
An Camerons Seite sicher
Doch so gern Veteranen der Konservativen Partei den blonden Boris, den Livingstone im Wahlkampf wohl durchaus auch in ihrem Sinne als "Clown" und "Hampelmann" beschimpfte, losgeworden wären - einer hielt schützend die Hand über ihn: Der neue dynamische Tory-Chef David Cameron, zu dessen Freundeskreis Johnson zählt. Er sorgte maßgeblich dafür, dass dem für schrille TV-Auftritte berüchtigten Johnson der australische PR-Experte Lynton Crosby zur Seite gestellt wurde.
Crosby hatte schon dem konservativen Politiker John Howard in Australien zu wiederholten Wahlsiegen verholfen - und er setzte nun Johnson mit ähnlichen Methoden wie seinerzeit Howard in "Down Under" in Szene. Aus dem Wirbelwind Boris, der nie pünktlich war und zielsicher in jedes Fettnäpfchen trat, wurde Boris, der Ruhige und Seriöse, der sich gesittet und reif zu Fragen der Zukunft Londons äußerte - vom Kampf gegen die Kriminalität bis hin zur geforderten Abschaffung der bei den Londonern unbeliebten Gelenkbusse aus dem Hause Mercedes.
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Gezielt und geschickt machte sich Johnson mit Hilfe seines PR- Strategen auch die Dienste der bürgerlich-konservativen Zeitungen zunutze. Die wurden mit Hinweisen zum Privatleben Livingstones und zum Filz in dessen Amtsführung gefüttert. Dagegen nahmen sich die Anti-Johnson-Geschütze der linken Presse wie Spielzeugkanonen aus. Wie sehr mehr oder weniger zutreffende Enthüllungsgeschichten des von Johnson protegierten Reporters Andrew Gilligan im "Evening Standard" über Livingstone den Ausschlag gaben, ist jedoch unklar. Vermutlich wollten die Londoner nach acht Jahren einfach mal ein anderes Gesicht im Rathaus.
Von Thomas Burmeister, dpa
Quelle: ntv.de