Dossier

Von der SPD zu den Piraten Jörg Tauss im Porträt

Als Bundestagsabgeordneter teilt Jörg Tauss gern aus und nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Im Parlament, dem der IG-Metall-Gewerkschaftsfunktionär seit 1994 angehört, gilt der 55-Jährige als eifrigster Zwischenrufer. Allein bis Ende der vergangenen Wahlperiode 2005 zählte ein Satiremagazin bei Durchsicht der dicken Protokollbände 2736 Einträge für Tauss und kürte ihn zum "Rekord- Zwischenrufer". Nun muss sich der Medien- und Internetfachmann des Verdachts erwehren, er habe kinderpornografisches Material in seinem Besitz.

Als der CDU-Politiker Steffen Kampeter, selbst ein häufiger Zwischenrufer, Tauss vor Jahren als "Brüllaffen der SPD-Fraktion" titulierte, gab es nicht einmal einen Ordnungsruf des Präsidenten - was in jedem anderen Fall wohl sicher gewesen wäre. Motto: Wer austeilt, muss auch einstecken können. "Der Kollege Tauss regelt sein Klärungsbedürfnis regelmäßig durch gezielte Zwischenrufe", sagte vor Jahren der heutige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) einmal über den Parlamentarier. Tauss war es auch, der der damaligen Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) 2005 mehrfach respektlos "Üben" zurief, als sie sich bei der Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder wiederholt versprochen hatte.

Tauss bleibt gelassen

Tauss gehörte der SPD seit 1971 an. Für die Partei war er zuletzt Fraktionssprecher für Bildung, Forschung und Medien - und wegen letzterem Bereich auch seit längerem mit dem wachsenden Problem der Kinderpornografie im Internet befasst. "Ich beschäftige mich seit Jahren mit dieser Szene", sagte er zu dem Umstand, dass Staatsanwälte aufgrund eines Anfangsverdachts seine Büros in Berlin und Karlsruhe nach "strafrechtlich relevantem Bildmaterial" durchsucht hatten. Tauss, der verheiratet ist, sagte weiter: "Ich warte mit Gelassenheit ab. Ich kann das nicht nachvollziehen". Bis heute streitet er die Vorwürfe ab - er habe auf eigene Faust in der Kinderporno-Szene recherchiert.

Bei der Debatte um die Sperrung von Kinderporno-Seiten im Internet warnte Tauss vor Schnellschüssen. Man müsse vor allem die "Täter fangen", aber andererseits verhindern, dass das Internet an beliebigen Stellen gesperrt und freie Kommunikation behindert werde. Tauss zählte in den 90er Jahren zu den ersten Bundestagsabgeordneten mit eigener Homepage.

Entfremdung von der SPD

Ob es sich bei den Ermittlungen um eine Intrige oder einen Racheakt aus der einschlägigen Szene handele, könne er nicht sagen. Aufgrund einer anonymen Anzeige wurde gegen Tauss schon einmal - mitten im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2006 - wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Tauss, der Generalsekretär der SPD in Baden-Württemberg war, sollte damals Honorare von mehreren tausend Euro nicht versteuert haben. Tauss hielt dagegen, er habe sie für die Tschernobyl-Hilfe abgeführt. Die Sache verlief im Sande.

Nachdem ihn die SPD wegen der Ermittlungen auf Verdacht der Kinderpornografie als Generalsekretär abgesetzt hatte, suchte Tauss nach neuen Betätigungsmöglichkeiten. Als seine Partei schließlich zusammen mit der Union das Gesetz für Internetsperren durchsetze, trat er aus Protest aus der SPD aus und wechselte in die Piratenpartei. Sein Bundestagsmandat wird Tauss aber nur bis zum Ende der Wahlperiode behalten.

In einer Erklärung erklärte Tauss, er stimme zwar weiterhin mit vielen Punkten des SPD-Programms überein. Allerdings gebe es bei den Sozialdemokraten in der Innen-, Rechts - und Internetpolitik "eine schlimme Fehlentwicklung". Auslöser für den Parteiaustritt sei die Zustimmung zu den Internet-Sperren zur Eindämmung von Kinderpornografie gewesen. Mit diesem Gesetz solle "eine staatliche Zensurinfrastruktur" errichtet werden. "Diese Entwicklung muss gestoppt werden", verlangte Tauss.

Quelle: ntv.de, tis/dpa

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