Spektakuläre Befreiung Jubel und Sorge in den USA
13.04.2009, 14:58 UhrDer Jubel der Amerikaner über die glückliche Befreiung von Kapitän Richard Phillips war ohne Grenzen. An der Marineakademie von Massachusetts, die er vor 30 Jahren absolvierte, dröhnten nach der frohen Nachricht die Schiffshörner, ebenso im kenianischen Mombasa. Dort feierte Phillips' Crew von der "Maersk Alabama" die dramatische Rettung ihres Skippers aus der Hand von Piraten, nannte ihn ihren "Helden" und drapierte eine US-Flagge an der Reling. Aber Experten sind sich sicher, dass der Ausgelassenheit bald die Ernüchterung folgen wird. Zu viele Geiseln, darunter auch deutsche, sind noch immer in der Gewalt somalischer Piraten. Und der nächste Überfall am Horn von Afrika, da hat niemand einen Zweifel, wird nicht lange auf sich wartenlassen.
Zunächst aber ergeht sich Amerika im nationalen Schulterklopfen über den spektakulären High Noon auf hoher See. "Wie in einem Hollywood-Drehbuch" sei Phillips' Rettung durch Elitesoldaten der Marine gelaufen, applaudierten US-Fernsehkommentatoren. Für den grauhaarigen, 53 Jahre alten Kapitän dürften es indes die grauenvollsten Augenblicke seines Lebens gewesen sein, als die drei Piraten auf dem kleinen Rettungsboot von Kopfschüssen getroffen in sich zusammensanken. Der verantwortliche Kommandant war sicher: Hätte er nicht binnen Sekundenbruchteilen den Befehl zum Feuern gegeben, wäre Richard Phillips nicht mehr am Leben.
"Drei bemerkenswerte Schüsse"
Elitesoldaten der Navy-SEALs, kurz zuvor per Fallschirm am Ort des Geschehens eingetroffen, hatten schon am Heck der "USS Bainbridge" gelauert. Immer wieder hatten die Seeräuber gedroht, den Kapitän zu töten. Zuletzt heizte sich die Lage gefährlich auf, berichten US-Medien. Als einer der Piraten, offenbar zum Äußersten entschlossen, mit seiner Kalaschnikow auf den Rücken von Phillips zielt, zögert der verantwortliche Offizier mit dem entscheidenden Befehl nicht. Die Köpfe der Seeräuber waren schon im Fadenkreuz der Scharfschützen. Die "New York Times" spricht von "drei bemerkenswerten Schüssen".
Dass das militärische Husarenstück dauerhafte Wirkung zeitigt und die ausufernde Seeräuberei am Horn von Afrika eindämmt, glauben Fachleute allerdings nicht. "Das beeindruckt somalische Piraten kaum", meint Admiral Richard Gurnon, Präsident der Marineakademie von Massachusetts. "Das sind verzweifelte Leute, die ein funktionierendes Geschäftsmodell haben." Sie betrachteten die Entführung von Schiffen wie unsereins die Lotterie - man verliere eben auch. Stattdessen sollten besorgte Nationen im Kampf gegen Seeräuberei auch Operationen an Land erwägen. "Darüber sollte die internationale Gemeinschaft ernsthaft nachdenken", sagt Gurnon.
Schritte an Land erwägen
Möglich, dass US-Präsident Barack Obama solche Schritte in Erwägung zieht. Nach der Befreiung Phillips' ließ er in einer Mitteilung wissen, die USA seien weiterhin entschlossen, dem rasanten Anwachsen der Piraterie in der Region Einhalt zu gebieten. "Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir mit unseren Partnern zusammenarbeiten, um künftige Angriffe zu vermeiden", machte Obama klar.
Der neue Präsident dürfte zu den Gewinnern der Befreiungsaktion gehören. Immer wieder berichten US-Medien, wie er ausdrücklich und sogar zweimal die Anwendung von Gewalt autorisierte, sollte das Leben des Kapitäns in Gefahr sein. Von einem "frühen militärischen Sieg für Obama" schrieb die "Washington Post". Der glückliche Ausgang der Befreiung könne ihm helfen, "Vertrauen in seine Fähigkeiten aufzubauen, militärische Aktionen im Ausland zu befehligen". Immerhin galt im Wahlkampf sein Alter und mangelnde Erfahrung auf der großen politischen Bühne den Wählern als stärkster Vorbehalt gegen Obama.
Wäre die Rettung des Kapitäns schiefgegangen, die Negativ-Wirkung wäre verheerend gewesen, schreibt die "Post". So, wie es Bill Clinton erfahren musste, als 1993 die Entsendung einer kleinen Marineeinheit nach Haiti von einem Haufen waffenschwingender Einheimischer vereitelt wurde.
Frank Brandmaier, dpa
Quelle: ntv.de