Dossier

SPD auf Neufindungskurs K-Frage schwankt mit

Wie sich Abläufe wiederholen: Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck gibt seiner Partei einen neuen Kurs vor. So mancher ranghohe Mit-Vorständler reagiert irritiert oder grummelt offen. Die Linke in der Partei, doch vor allem der größte Teil der SPD-Basis ist dagegen zufrieden. Das war im Machtkampf mit dem in der SPD hoch geschätzten Franz Müntefering um die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere so, das zeigte sich bei Becks plötzlichem Schwenk in Sachen Bahn-Privatisierung - und das ist nun bei der vorsichtigen Öffnung der SPD in Richtung der Partei Die Linke nicht viel anders.

Deutlicher als bei früheren Auseinandersetzungen wirft diesmal die offene Machtfrage ihre Schatten voraus, wer 2009 für die SPD als Kanzlerkandidat gegen Angela Merkel (CDU) antreten wird. Beck hat oft genug Machtinstinkt bewiesen. Viele behaupten, er versteht die Gesamtpartei mit ihren inneren Befindlichkeiten besser als alle seine drei Stellvertreter zusammen. Und das am 3. März der 110-köpfige SPD-Parteirat Beck erneut den Rücken stärken wird, daran hegen nur ganz wenige Zweifel - nachdem der gut 40-köpfige Parteivorstand seinen neuen Kurs mit nur einer Gegenstimme bereits abgesegnet hat. Gegrummel hin, Gegrummel her.

Dabei ist nicht einmal sicher, ob der schwer an Grippe erkrankte Beck schon am 3. März wieder an Bord ist oder ob die SPD- Führungsgremien in Berlin nicht erneut ohne ihn tagen müssen. Während er sich in seiner Mainzer Dienstwohnung, in der Nähe seines Hausarztes, erholt, bläst derweil die CDU im benachbarten Landtag zu heftigsten Attacken: Die Linke, die Beck in Rheinland-Pfalz vom Verfassungsschutz beobachten lässt, dürfe nun mit seinem Segen gleich auf der anderen Rheinseite in Wiesbaden der hessischen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zur Macht verhelfen - sofern ihr Landesverband das will.

Als Beck vor knapp zwei Jahren den SPD-Vorsitz übernahm, trat er mit dem Anspruch an, die verschiedenen Parteiströmungen wieder miteinander zu versöhnen. Beck, der bis dahin eher zum konservativen SPD-Flügel gezählt wurde, verstand sehr schnell, welche tiefe Wunden die Agenda 2010 während der SPD-Kanzlerschaft von Gerhard Schröder in der alten Volkspartei hinterlassen hatte. Gut 80.000 Parteiaustritte musste die SPD zum Höhepunkt des Agenda-Streits zwischen 2003 und 2004 verkraften. Beck baute die Brücken zu den Gewerkschaften wieder auf, band die Parteilinke in die Arbeit ein, ließ viel Raum für Debatten, wie etwa beim Grundsatzprogramm - und schwor der Schröderschen "Basta-Politik" ab.

Die Ventil-Taktik

Es entspricht dem Beckschen Führungsprinzip, immer dann ein wenig Dampf aus dem Kessel zu lassen, wenn bei einer Sache der innere Problemdruck zu groß wird. Schließlich muss man dafür nicht gleich den ganzen Kessel öffnen, oft reicht das Ventil. Beck hatte zunächst vehement jeder aktiven wie passiven Zusammenarbeit mit den Linken im Westen eine Absage erteilt - was in der SPD von Anfang an nicht unumstritten war und nun die Hessen-SPD angesichts ihres Mandats-Patts mit der CDU im Landtag besonders in die Zwickmühle bringt.

Mit dem Verweis auf die alleinige Entscheidungskompetenz der SPD-Landesverbände über das jeweilige Vorgehen vor Ort hat Beck ein solches Ventil gefunden. Dabei entspricht dies ohnehin langjähriger SPD-Tradition - was auch die Unterstützung fast aller SPD-Landeschefs erklärt, allen voran von Hannelore Kraft, der Vorsitzenden des mitgliederstärksten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen. Und spätestens im nächsten Jahr bei der Landtagswahl im Saarland hätte sich das Problem für die SPD erneut gestellt.

Klar ist, dass der Becksche Befreiungsschlag, so unprofessionell er kurz vor der Hamburg-Wahl öffentlich wurde, erst der Anfang einer langen Debatte über die Neubestimmung der SPD ist. Widerstand und Kritik, die sich jetzt in Teilen der Partei gegen sein Vorgehen formieren, paaren sich zum Teil mit dem Zweifel, ob Beck die richtige Antwort auf die K-Frage der SPD ist - und natürlich auch mit eigenem Machtinteresse. Dabei schart sich die SPD-Linke derzeit nahezu geschlossen um Beck - die konservativen Seeheimer, die jetzt zum Sturm gegen den Öffnungsbeschluss blasen, sind gespalten. Einige von ihnen sähen lieber Becks Vize, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, als Merkel-Herausforderer. Steinmeier selbst wartet bisher loyal ab.

Doch das Rennen ist eröffnet. Interessierte bringen nun auch Berlins SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit wieder ins Spiel. Mit seiner Berliner Hauptstadtkoalition habe er doch schließlich bisher am besten die Linken domestiziert. Doch dabei gilt die Berliner Linke mit ihrer starken Ost-Tradition nicht gerade als typisch für die anderen Landesverbände im Westen.

Von Karl-Heinz Reith, dpa

Quelle: ntv.de

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