Dossier

Stichwort Kalte Progression

Die sogenannte kalte Progression ist eine Art heimliche Steuererhöhung. Sie führt nämlich nach Lohnerhöhungen, die lediglich die Inflation ausgleichen sollen, zu einer prozentual deutlich höheren Einkommensteuerbelastung – und damit zu einem Sinken des Realeinkommens.

Denn für jeden über dem Grundfreibetrag verdienten Euro ist im deutschen Steuersystem mit den steigenden Steuer-Tarifen ein eigener, höherer Steuersatz fällig. Er fängt für Ledige mit 15 Prozent bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen – nicht zu verwechseln mit dem Brutto-Gehalt - von 7665 Euro an und beträgt bei 52.152 Euro 42 Prozent. Bei Top-Verdienern wird von 250.001 Euro an (Ledige) ein "Reichensteuer"-Satz von 45 Prozent fällig.

Um die Geldentwertung (Inflation) auszugleichen, steigen die Löhne und Gehälter in der Regel jährlich. Passt der Staat die Einkommensteuersätze nicht der Inflationsrate an, zahlen Bürger immer mehr Steuern, obwohl sie real nicht mehr in der Tasche haben.

Beispiel

Verdient ein Arbeitnehmer (alleinstehend, keine Kinder) im Jahr brutto 50.000 Euro, liegt sein Einkommensteuersatz bei 24,96 Prozent. Im Jahr beträgt die Inflation 2 Prozent, also erhöht sein Arbeitgeber das Gehalt ebenfalls um 2 Prozent auf 51.000 Euro im Jahr. Nun muss der Arbeitnehmer plötzlich 25,26 Prozent an Einkommensteuer abführen, ein Plus von 0,3 Prozent. Dabei ist seine Kaufkraft nicht gestiegen: Die 1000 Euro mehr brutto im Jahr sind ja nur Ausgleich für die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Muss er nun 0,3 Prozentpunkte mehr Steuern zahlen, ist sein Einkommen tatsächlich nicht entsprechend der Inflation um 2, sondern nur um 1,7 Prozent gestiegen – und sein Realeinkommen gesunken.

Laut Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) bedeutet derzeit ein Prozent Lohnsteigerung eine zwei Prozent höhere Einkommensteuerbelastung. Die FDP verweist auf eine Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaft, wonach allein die "kalte Progression" zwischen 2006 und 2012 zu Steuermehreinnahmen von 63 Milliarden Euro führen dürfte.

In anderen Industrieländern gibt es eine automatische Inflationsanpassung im Rahmen der Einkommenbesteuerung zur Vermeidung der "kalten Progression". Wie effektiv diese Maßnahmen wirken, lässt sich nach Darstellung der Bundesregierung nicht einschätzen.

Quelle: ntv.de

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