Brisanter Wechsel Kasachstan führt OSZE-Vorsitz
01.01.2010, 18:08 UhrKasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew sparte am Neujahrstag nicht mit großen Worten, als sein Land den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernahm. Es sei eine "historische Mission" und ein Zeichen internationaler Wertschätzung, dass der zentralasiatische Staat diese Funktion als erste ehemalige Republik der UdSSR innehabe, sagte der seit Sowjetzeiten amtierende Nasarbajew (69) in einer Ansprache in der Hauptstadt Astana. Menschenrechtsorganisationen sehen dies anders. Kasachstan leiste sich einen eklatanten Fehlstart, wenn ein so prominenter Regierungskritiker wie Jewgeni Schowtis mit Beginn des Vorsitzes im Gefängnis bleibe, betonte Human Rights Watch (HRW).
Der Jurist Schowtis war im vergangenen September nach einem Verkehrsunfall mit einem Toten zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Die Bundesregierung und die OSZE-Führung in Wien nannten den Prozess undurchsichtig und den Richterspruch überzogen. Aber Kritik am Staat gilt in Astana als unerwünscht. So verhallten auch Proteste über eine zunehmende Zensur im Internet sowie über Druck auf Oppositionsmedien ohne Wirkung. Bereits vor einem Jahr waren bei einem Treffen in Berlin Appelle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an Nasarbajew, die Menschenrechte zu stärken, folgenlos geblieben.
Das richtige Signal?
Merkel gilt wie ihr Amtsvorgänger Gerhard Schröder (SPD) als Unterstützer des kasachischen OSZE-Vorsitzes. Aus Sicht des Westens kommt dem Land auch wegen des Konflikts im nahen Afghanistan eine Sonderrolle als Stabilitätsfaktor in der unruhigen Region zu. Zudem hat das rohstoffreiche Land als Energielieferant erhebliches Gewicht. Der kasachische Vorsitz habe weitere große Vorzüge, meint ein OSZE-Diplomat. Es gehe um eine Verankerung der OSZE und ihrer Prinzipien in Zentralasien und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). In der weltweit geachteten Organisation mit 56 Teilnehmerstaaten gebe es aber auch Zweifel, ob der einjährige Vorsitz für Kasachstan zwischen Griechenland (2009) und Litauen (2011) das richtige Signal sei.
Immer wieder hatte die Führung in Astana blumige Reformversprechen gemacht. Doch statt einer Lockerung des Mehrparteiensystems sitzt weiter lediglich Nasarbajews Partei Nur Otan im Parlament. Und erst Ende Dezember forderte die Organisation Reporter ohne Grenzen nach dem gewaltsamen Tod eines regierungskritischen kirgisischen Journalisten in Kasachstan eine umfassende Aufklärung der Bluttat.
Große internationale Erwartungen
Deutliche Unterstützung für den OSZE-Vorsitz von Astana war stets auch aus den USA gekommen. Washington agiere vermutlich in der Hoffnung, damit Moskaus Einfluss in Zentralasien zu schwächen, schrieb dazu unlängst die russische Zeitung "Kommersant". Dies habe sich aber seit der jüngsten Bildung einer gemeinsamen Zollunion durch Russland, Kasachstan und Weißrussland als Fehleinschätzung erwiesen. Die internationalen Erwartungen sind groß, wenn die Führung in Astana Mitte Januar die Schwerpunkte ihres OSZE-Vorsitzes bekanntgeben will.
Quelle: ntv.de, Wolfgang Jung, dpa