Dossier

Atomausstieg aktiviert nicht Kein Wahlkampfhit mehr

Mit der neu losgetretenen Atomenergie-Debatte hat die Union den Kampf um Wählerstimmen auf einem heiklen Terrain eröffnet. Die Partei hofft auf Unterstützung der Bevölkerung beim "Ausstieg aus dem Ausstieg" - und natürlich auf zusätzliche Prozente bei der Bundestagswahl 2009. Doch ist das Thema dafür überhaupt geeignet? Schließlich standen die Deutschen der Atomenergie besonders nach der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl jahrzehntelang skeptisch gegenüber. Hat sich das heute geändert, da die Bürger Energieknappheit und drastische Preissteigerungen fürchten?

Der frühere Wahlkampf-Manager der Union, Michael Spreng, warnt CDU und CSU davor, ihren Bundestagswahlkampf allein auf die Kernenergie zu konzentrieren. "Es wäre völlig falsch, isoliert auf das Kernenergie-Thema zu setzen. Dann wecke ich sofort alle Emotionen, alle Ängste und Sorgen", so der Medienexperte der "Financial Times Deutschland". Stattdessen rät er der CDU, einen Wahlkampf um Energiesicherheit zu führen, zu dem dann auch die Atomenergie gehöre.

Nur "eines von vielen Themen"

Auch CDU-Vize Christian Wulff warnte vor einem Bundestagswahlkampf mit dem Schwerpunkt Atomkraft. "Es wäre absurd, allein über die Frage nach den Laufzeiten von Kernkraftwerken die Auseinandersetzung zu suchen. Das ist eines von vielen Themen", sagte der niedersächsische Ministerpräsident der "Financial Times Deutschland".

Nach Einschätzung des Chefs des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid, Klaus-Peter Schöppner, wird Kernenergie an sich nie ein "richtiges Winner-Thema" für einen Wahlkampf sein. Aber wenn es der CDU gelänge, die Debatte unter den Überbegriff "sichere und bezahlbare Energie" zu fassen, und wenn sie klarmache, dass es sich bei der Laufzeitverlängerung der Kraftwerke um eine "vorübergehende Maßnahme" handelt, dann könnte die Partei möglicherweise von dem Thema profitieren. Eine Forderung wie "alles zurück auf Kernenergie" würde bei den Wählern hingegen nicht ankommen.

Bevölkerung gespalten

Doch wie bewerten die Deutschen heute eigentlich den Atomausstieg? Meinungsumfragen zumindest lassen darauf schließen, dass der Ausstieg in der Bevölkerung weiter an Rückhalt verliert. Während vor etwa fünf Jahren noch eine deutliche Mehrheit für das Aus war, sind die Deutschen heute eher gespalten. Viele Menschen können sich außerdem vorstellen, dass die Kraftwerke zumindest vorübergehend noch länger laufen.

Nach einer aktuellen Emnid-Umfrage wollen noch 49 Prozent den Ausstieg, fast genauso viele - 48 Prozent - sind für eine langfristige Nutzung der Kernenergie. Und 59 Prozent können sich zumindest vorstellen, bestehende Kraftwerke länger als im Atomkonsens vereinbart laufen zu lassen. Nur 39 Prozent sind dagegen.

"Dämonisierung ist weg"

"Es ist einiges im Fluss bei den Menschen", stellt der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, fest. Die "Dämonisierung der Atomkraft ist weg", sagt er. Außerdem überlegten die Menschen mittlerweile, ob Kernkraft aufgrund befürchteter Energieversorgungsengpässe und -preissteigerungen nicht "Bestandteil des Energiemixes" sein sollte. Güllner vermutet deshalb, dass Parteien, die pragmatisch Position zur Kernkraft beziehen und nicht ideologisch argumentieren, von dem Thema profitieren könnten. Wenn dies einer Partei nütze, dann "eher Union und weniger SPD".

Deutlich skeptischer äußert sich der Leiter der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, der die Atomkraft nicht als Wahlkampf-Hit sieht. Aus demoskopischer Sicht sei das Thema Kernenergie keines, mit dem "Pluspunkte" im Wahlkampf zu machen seien. Denn nur eine Minderheit der Bevölkerung habe eine "Affinität zu Nuklearkraft", erklärt Jung. Atomkraft werde "niemals ein Thema sein, was der CDU weitere Stimmen bringt", viel eher könnte die Partei damit bei dem ein oder anderen auf zusätzliche Ablehnung stoßen.

Ira Kugel, dpa

Quelle: ntv.de

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