Dossier

Gipfel der CO2-Schleudern Keine Chance für den Klimaschutz

Der Befund der internationalen Wissenschaft ist klar: Bekommt die Politik die gefährliche Erderwärmung mit Folgen wie Überschwemmungen, Stürmen und Dürrekatastrophen nicht schleunigst in den Griff, haben Millionen von Menschen auf diesem Planeten nichts mehr zu lachen. Grund genug, mehr denn je gegen das vor allem durch Verbrennung von Öl und Kohle entstehende Kohlendioxid (CO2) vorzugehen - und zwar weltweit.

Grund also für die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrieländer und Russlands (G8), ihr Gipfeltreffen vom 6. bis 8. Juni im Ostseebad Heiligendamm auch zum Krisenmanagement in der Klimaschutzpolitik zu nutzen. Unter dem Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist dabei auch die bisher teilweise sorglose Energiepolitik zu überdenken. Die Vorarbeiten der Gipfel-Beauftragten sind in vollem Gange.

Die EU tritt zwar mit ehrgeizigen Zielen wie einer CO2-Senkung um 20 oder gar 30 Prozent bis 2020 als Vorreiter an. Dennoch erscheint die Aufgabe, jetzt auch den Rest der Welt mit verbindlichen Absprachen im internationalen Geflecht wirtschaftlicher Interessen zu überzeugen, nach Experteneinschätzung beinahe unlösbar.

Dabei geht es um nichts Geringeres als eine Überlebensstrategie für die Menschheit. Speziell zu diesem Thema sind neben den G8-Mitgliedern Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Kanada und Russland auch die fünf großen Schwellenländer China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika in Heiligendamm dabei.

Diese "G8+5" repräsentieren zwei Drittel der globalen Treibhausgas-Emissionen. Ohne sie wäre weltweiter Klimaschutz nicht möglich. Ob aber mit ihnen? Das haben die Staats- und Regierungschefs nun in der Hand. Dabei sitzen die Vertreter aus den größten Umweltsünder-Ländern zusammen. Auf Platz eins der Liste des absoluten CO2-Ausstoßes rangierten 2003 nach Daten des World Resources Institutes (WRI) die USA mit 5.778 Millionen Tonnen - gefolgt von China mit 4.497 Millionen Tonnen. Russland lag danach mit 1.581 Millionen Tonnen auf Platz vier, Deutschland (865 Mio.) nach Indien (1.148 Mio.) auf Platz sieben. Pro Kopf der Bevölkerung rangierten die USA auf Platz 20, Deutschland auf 26. Inzwischen haben sich die Werte nach Expertenangaben weiter erhöht. Vor allem China dürfte wegen seines enormen Wachstums - der Weltwährungsfonds erwartet 2007 ein Plus von 10 Prozent - auch beim C02-Ausstoß zulegen.

Bei der Umweltministerkonferenz im März in Potsdam hatten sich alle G8+5-Teilnehmer laut Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Klimaschutz bekannt. Die USA sperrten sich jedoch erwartungsgemäß gegen jede Verpflichtung zu festen Klimaschutz-Zielen im Rahmen des Kyoto-Protokolls.

Diese Position dürfte nach Einschätzung aus der Bundesregierung auch von US-Präsident George W. Bush nicht aufgegeben werden. Washington lehnt auch den von Gabriel so beschworenen Interessenausgleich für Entwicklungsländer ab, die die eigentlichen Opfer der hemmungslosen CO2-Politik der Industrieländer sind. Schließlich sollen sie wie Brasilien, Indonesien oder Malaysia dazu gebracht werden, nicht länger - für schnelle Einnahmen aus Palmöl-Exporten für den Biosprit-Durst der Industrieländer - Regenwälder abzuholzen. So beschleunigen sie die Erderwärmung eher.

China weigert sich wie die USA, CO2-Abbauziele zu übernehmen, hat aber inzwischen unter dem Druck eigener Klimaschäden den Umweltschutz im Land ausgerufen. Anders Russland, das noch zu 90 Prozent von fossilen Energieträgern abhängig ist und eher Deviseneinnahmen aus Öl- und Gas-Exporten Richtung Westen im Sinn hat.

Forderungen von Umweltschützern, der G8-Gipfel möge die Ziele der EU übernehmen oder darüber hinausgehen, dürften nach Experteneinschätzung somit keine Chance haben. Die Bundeskanzlerin werde bei ihrer Moderation mit allgemeinen Erklärungen das Hauptziel dieses Themas durchzusetzen versuchen: ein Mandat für Kyoto-Nachfolgeverhandlungen. Die UN-Klimakonferenz im Dezember auf der indonesischen Insel Bali soll damit eine Perspektive bekommen. Wie das bisherige Ziel des Kyoto-Protokolls für die weltweite Minderung von Treibhausgasen um 5,2 Prozent (von 1990 bis 2012) für die Folgezeit ehrgeizig ausgebaut werden kann, bliebe damit jedoch offen.

Wichtig wäre ein Aktionsplan, um mehr Energie einzusparen und die Energiegewinnung durch Wind, Sonne und Co. auszubauen. Für die dazu nötigen Innovationen und den Technologietransfer nach Afrika seien Partner wie die USA wegen der Geschäftsaussichten sicher zu gewinnen. Sollte nichts gehen, muss den Staatslenkern klar sein: Beschleunigt sich der Klimawandel, entstehen nach Experten-Angaben nicht nur Milliarden-Schäden. Mit dem Meeresspiegel und den Fluten stiege dann auch dramatisch die Zahl der Klima-Flüchtlinge: eine Bedrohung von Sicherheit und Weltfrieden.

(Wolfgang Bunse, dpa)

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen