Krisenherd Somalia Keine Rücksicht auf Helfer
12.02.2008, 17:03 UhrAuch die klar gekennzeichneten Fahrzeuge von Hilfsorganisationen bedeuten in Somalia keinen Schutz vor der Gewalt, unter der die Menschen am Horn von Afrika seit mehr als einem Dutzend Jahren leiden. Die Entführung eines deutschen Projektleiters der Welthungerhilfe am Dienstag ist kein trauriger Einzelfall.
Erst im Dezember wurden eine spanische Ärztin und eine argentinische Krankenschwester der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen verschleppt und Anfang Januar frei gelassen. Mitarbeiter des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) wurden in den vergangenen Monaten ebenso angegriffen wie das wiederholt von Granaten getroffene SOS-Kinderdorf in der somalischen Hauptstadt Mogadischu.
Die meisten internationalen Hilfsorganisationen haben aus Sicherheitsgründen bereits ihr ausländisches Personal aus Somalia zurückgezogen und arbeiten nur noch mit einheimischen Helfern. Am Montag kündigten die Vereinten Nationen an, einen Teil ihrer Maßnahmen in Somalia vorübergehend auszusetzen. Auch in diesem Fall führten massive Sicherheitsbedenken zu der Entscheidung. Denn Hilfe wird in Somalia dringend gebraucht.
Ein vor rund zwei Wochen von der Afrikanischen Union (AU) veröffentlichter Bericht zeichnet ein düsteres Bild von der Lage in Somalia, das seit den frühen 90er Jahren nicht zur Ruhe kommt und gerade deshalb zu den vergessenen Krisenregionen der Welt gehört. Allein seit Oktober flohen rund 240.000 Menschen aus Mogadischu, die Zahl der Flüchtlinge insgesamt beträgt rund 700.000.
Viele leben unter menschenunwürdigen Bedingungen in provisorischen Lagern - ohne ausreichend Wasser in dem von Wüstenklima gezeichneten Land, ohne medizinische Versorgung, ohne gesicherte Lebensmitteltransporte. Angesichts katastrophaler hygienischer Bedingungen hat die Kindersterblichkeit in diesen Lagern dramatisch zugenommen, warnte er Ende 2007 das UN-Kinderhilfswerk UNICEF.
In Mogadischu geraten Zivilisten nicht nur zwischen die Fronten von islamischen Milizen und Regierungstruppen und deren äthiopischen Verbündeten, sie werden auch Opfer von willkürlichen Angriffen und Gewalttaten. Ein UNICEF-Sprecher berichtete in Nairobi von Frauen, die am helllichten Tag an Straßensperren vergewaltigt wurden, als sie versuchten, ihre kranken oder verletzten Kinder in die drei letzten noch arbeitenden Krankenhäuser der somalischen Hauptstadt zu bringen. Auch in ihren Häusern sind Frauen und Mädchen nicht vor sexueller Gewalt sicher. Verletzte verbluten nach den häufigen Schießereien auf den Straßen, weil Ärzte und Sanitäter selbst unter Beschuss geraten.
Die Tragödie innerhalb der Tragödie: In den Depots der Hilfsorganisationen lagern Lebensmittel, Medikamente, Bausätze für Latrinen und Notunterkünfte. Doch die Hilfe kann nicht zu den Flüchtlingen gelangen, wegen der häufigen Überfälle und zahlreichen Straßensperren, die bis zu 300 Dollar "Zoll" für jeden Lastwagen mit Hilfsgütern verlangen. Alle Proteste und Appelle verhallten bisher ohne die erbetenen Sicherheitsgarantien der somalischen Übergangsregierung für die Arbeit der Helfer.
Von Eva Krafczyk, dpa
Quelle: ntv.de