Dossier

Erster Prozess vor Weltstrafgericht Kinder zum Morden gedrillt

Es ging um Gold und Diamanten. Da spielten Menschenleben keine Rolle. Auch für die Seelen jener Kinder, die sie als Mörder drillten und zwangen, Dorfbewohner mit Kalaschnikow-Sturmgewehren niederzumähen, kannten die "Warlords" im Osten Kongos keine Gnade. Als zuverlässig galten die manipulierten kleinen Kämpfer allerdings. Sonst hätte Thomas Lubanga wohl nicht Kindersoldaten zu seinen Leibwächtern bestimmt. Von diesem Montag an muss sich der Ex-Milizenchef wegen des Kriegsverbrechens der Rekrutierung von Kindern unter 15 Jahren als Kämpfer vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verantworten.

Mit dem Verfahren gegen den 48-Jährigen wird Rechtsgeschichte geschrieben. Lubanga, der als einer der brutalsten Milizenchefs des Kongo galt, war 2006 der erste mutmaßliche Kriegsverbrecher, der vor dem IStGH angeklagt wurde. Der Prozess gegen ihn ist nun der erste, der vor dem 2002 mit dem Inkrafttreten des Rom-Statuts aus der Taufe gehobenen "Weltstrafgerichts" geführt wird. Menschenrechtler hoffen auf eine Signalwirkung.

Bewährungsprobe für Chefankläger

Viele sehen in dem Verfahren aber auch eine Bewährungsprobe für den Chefankläger Luis Moreno-Ocampo. Immerhin will der 56-jährige Jurist aus Buenos Aires, eines Tages auch Staatschefs, die sich möglicherweise Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben, auf die Anklagebank in Den Haag bringen. Allen voran der sudanesische Präsident Omar al-Bashir (65), gegen den er Haftbefehl wegen Völkermords in Darfur beantragt hat.

Vom Verlauf des Lubanga-Prozesses könnte zudem abhängen, ob die USA unter Präsident Barack Obama ihre ablehnende Haltung gegenüber dem "Weltstrafgericht" überdenken. Sollte Washington das Rom-Statut, das Präsident Bill Clinton unterschrieb, aber gleich in der Schublade verschwinden ließ, doch noch ratifizieren, wäre dies für die internationale Rechtsprechung ein großer Schritt nach vorn.

Für Lubanga will Moreno-Ocampo eine Strafe durchsetzen, die "sehr nahe an das Höchstmaß von 30 Jahren heranreicht". Das sei "von historischer Bedeutung für den Kampf gegen Straflosigkeit bei schweren Verbrechen gegen Kinder". Als Zeugen wird er auch frühere Kindersoldaten aufrufen. Weil sie Angst haben müssen, aus Rache für ihre Aussagen in ihrer zerrütteten Heimat im Osten Kongos ermordet zu werden, bleiben sie für die Außenwelt anonym.

Zum Töten "abgerichtet"

Ein damals Elfjähriger schilderte Ermittlern, wie er zum Töten "abgerichtet" wurde. Als er zum ersten Mal einen Wehrlosen erschoss, habe er aus Angst abgedrückt, sonst von Lubanga getötet zu werden. Ähnlich sei es zwischen Herbst 2002 und Sommer 2003 in der Provinz Ituri im Nordosten des Kongo Hunderten Kindern ergangen, berichtete die Organisation Human Rights Watch (HRW). Lubangas "Union Kongolesischer Patrioten" (UPC) sei in dem Krieg als "Kinderarmee" berüchtigt gewesen.

Zu seiner Verteidigung hatte der "Warlord" angegeben, er habe während einer blutrünstigen Fehde sein Volk der Hema vor Kämpfern des Lendu-Volkes beschützt. Doch der seit 1999 immer wieder aufflammende Ituri-Konflikt, dem nach UN-Schätzungen mehr als 60 000 Menschen zum Opfer fielen, hatte zeitweise die Dimension eines Stellvertreter-Krieges um Naturschätze der Region, vor allem ihre Goldminen.

In die Ressourcen-Plünderung waren laut HRW Politiker des Kongo ebenso verstrickt wie Regierungsmitglieder der Nachbarstaaten Ruanda und Uganda. Und alle hielten "Kriegsfürsten" wie Lubanga aus. "Wenn das Gericht zu den Wurzeln des Konfliktes vordringen wollte, müsste es sich die Hintermänner vornehmen", sagt die kanadische HRW-Juristin Param-Preet Singh. "Einschließlich hoher Regierungsleute in Kinshasa (Kongo), Kigali (Ruanda) und Kampala (Uganda)."

Vorwurf auf Kinder-Rekrutierung beschränkt

Doch dafür reichen die Möglichkeiten des Staatsanwalts offenkundig nicht aus. Im Fall Lubangas beschränkte er sich auf den Vorwurf der Kinder-Rekrutierung. Dem Angeklagten darüber hinaus Verantwortung für Folter, Massenvergewaltigungen und die Massaker seiner zunächst mit Uganda und später mit Ruanda verbündeten Milizen an Tausenden Menschen wasserdicht nachzuweisen, erschien Moreno-Ocampo zu kompliziert. Wie er dann eines Tages sogar einen Politiker vom Kaliber des sudanesischen Präsidenten auf die Anklagebank bringen will, bleibt abzuwarten.

Quelle: ntv.de, Thomas Burmeister, dpa

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