Zu hoch gepokert Kirchners verlieren Parlamentswahl
29.06.2009, 11:52 UhrDie argentinische Präsidentin Cristina Kirchner und ihr Mann und Amtsvorgänger Néstor haben hoch gepokert und verloren. Und zwar schlimmer noch als selbst die aus ihrer Sicht pessimistischsten Umfragen vorhergesagt hatten.

Die Kirchners haben tief in die Wahl-Trickkiste gegriffen.
(Foto: REUTERS)
Dabei hatten sie tief in die Wahl-Trickkiste gegriffen, um den Erfolg zu sichern: die Routine-Wahlen zur Schicksalswahl zwischen sich und dem Chaos hoch stilisiert. Die Wahl um vier Monate vorverlegt. Wichtige Regierungsmitglieder als Kandidaten präsentiert, von denen jeder wusste, dass sie ihr Mandat gar nicht antreten würden. Den Staat für den Wahlkampf eingespannt. Und sogar Néstor Kirchner in der bevölkerungsreichsten Provinz Buenos Aires ins Rennen geschickt.
Aber die Wähler haben das Ehepaar Kirchner nach sechs Amtsjahren hart abgestraft. "Die Menschen haben alles Mögliche gewählt, nur um nicht für die Kirchners zu stimmen", kommentierte der Fernsehsender TN. Für die Pinguine, wie die Kirchners wegen ihrer Herkunft aus dem tiefen patagonischen Süden auch genannt werden, ist das politische Eis gefährlich dünn geworden. Cristina Kirchner und ihr Mann werden in den verbleibenden zweieinhalb Amtsjahren nun nach Einschätzung des Meinungsforschers Manuel Fraga eine Eigenschaft an den Tag legen müssen, die sie bisher so gut wie völlig vermissen ließen: Kompromissfähigkeit. Und das mit einer zersplitterten Opposition.
Viele Einzelniederlagen
Néstor Kirchner, der das Land als Staatschef zwischen 2003 und 2007 aus einer der tiefsten Krisen seiner Geschichte führte, landete im Rennen um einen Platz im Abgeordnetenhaus in Buenos Aires mit nur 32 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei. Als strahlender Sieger ging hier der reiche Unternehmer Francisco de Narvaez durchs Ziel. Peronist wie die Kirchners, trat er für das konservative Wahlbündnis Unión-Pro an und kam auf etwas mehr als 34 Prozent der Stimmen. "Heute haben wir die miserable Politik (der Kirchners) besiegt. Nun werden wir den Lauf der Geschichte ändern", rief er seinen jubelnden Anhängern zu.

Néstor Kirchner wurde in der bevölkerungsreichsten Provinz Buenos Aires ins Rennen geschickt.
(Foto: REUTERS)
Aber auch in anderen wichtigen Provinzen wie Santa Fé, Entre Ríos, Córdoba, Mendoza und sogar in Kirchners Heimatprovinz Santa Cruz zogen ihre Kandidaten den Kürzeren. In Santa Fé kamen sie nur auf etwa 9,0 Prozent, und in der Hauptstadt Buenos Aires landete ihr Kandidat Carlos Heller mit nur 11,7 Prozent weit abgeschlagen auf Platz vier. Das Ergebnis von so vielen Einzelniederlagen ist der absehbare Verlust der parlamentarischen Mehrheit der Regierung sowohl im Abgeordnetenhaus wie auch im Senat.
Wirtschaftsleistung schöngerechnet
Related contentAusschlaggebend für den Niedergang der Kirchners war neben dem normalen Verschleiß der jeweiligen Regierung nach Einschätzung von Meinungsforschern der im vergangenen Jahr misslungene Versuch der Regierung, den Bauern eine saftige Erhöhung der Exportsteuern für Soja, dem wichtigsten Erzeugnis des Agrarstaates, aufzubürden. Dies kostete viele Stimmen auf dem Land. In den Städten stieß vielen Menschen sauer auf, dass die steigende Inflation und Armut durch Berechnungstricks nur auf dem Papier gedrückt und die tatsächlich sinkende Wirtschaftsleistung schön gerechnet wurden.
"Die Kirchners wissen, dass ihre Zeit abläuft, und es geht ihnen nur noch darum, ungeschoren aus der Präsidentschaft herauszukommen", hatte der Meinungsforscher Jorge Giacobbe kurz vor der Wahl gesagt. Als mögliche Nachfolger ab 2011 haben sich durch Wahlerfolge nun einige ihrer Widersacher in Position gebracht: der Peronist Carlos Reutemann (Santa Fé), der abtrünnige Vize-Präsident Julio Cobos (Mendoza) und der Pro-Bürgermeister von Buenos Aires, Mauricio Macri. "Das sind im Gegensatz zu den Kirchners alles moderate Politiker", betonte Fraga und fing damit vielleicht am treffendsten die Stimmung im Wahlvolk ein.
Quelle: ntv.de, Jan-Uwe Ronneburger, dpa