Lissabon und die Kabinettsbildung Kommt eine neue Europa-Kompetenz?
05.10.2009, 17:13 Uhr
Sollte Guido Westerwelle Frank-Walter Steinmeier als Außenminister beerben, ist fraglich, ob er seine erste Amtszeit mit einem Abbau seiner Kompetenzen beginnt.
(Foto: dpa)
Aufatmen in Berlin. In der Bundesregierung wird fest damit gerechnet, dass nach dem erfolgreichen irischen Referendum nun auch die Tschechen die Umsetzung des Lissabon-Vertrags nicht auf Dauer werden blockieren können. "Ein Plan B gibt es nicht", wird versichert. Wichtiger für die Europapolitiker in Berlin derzeit: Wie wird sich die EU-Reform auf das neue Bundeskabinett auswirken, das in diesen Wochen ausgehandelt wird?
Angela Merkel gilt in der EU als "Mutter des Lissabon-Vertrags". Sie hat dafür gesorgt, dass alle wesentlichen Inhalte aus der gescheiterten EU-Verfassung in den neuen Vertrag gerettet wurden: Eine stärkere Zusammenarbeit in der Außenpolitik und mehr Kontinuität in der Führung der EU-Geschäfte mit einem neuen EU-Ratspräsidenten. Ganz wesentlich zur "neuen EU" sollen auch raschere und effizientere Entscheidungswege gehören.
Mit dieser Frage wird sich die Kanzlerin jetzt auch bei der Kabinettsbildung beschäftigen. Immer wieder wird in Brüssel und in den Fachressorts beklagt, dass die Koordinierung der deutschen Europapolitik viel zu stark auf die verschiedenen Ministerien und die Länder verteilt ist.
Zaghafte Rufe nach einem Europa-Minister
Finanz-, Wirtschaftsministerium und Auswärtiges Amt teilen sich in Berlin die Haupt-Zuständigkeiten. Im Kanzleramt wird faktisch die deutsche EU-Politik gesteuert. Hinzu kommen jetzt noch die neuen Mitwirkungsrechte des Parlaments, die nach einem starken Gegenpart in der Regierung rufen.
Da das Auswärtige Amt traditionell von dem Koalitionspartner der Kanzler-Partei geführt wird, haben die Außenminister - ob von der FDP, den Grünen oder der SPD - stets darauf geachtet, dass ihre formale Europa-Politik-Kompetenz nicht beschnitten wird. Das Ergebnis war immer, dass letztlich der jeweilige Regierungschef in den Brüsseler Räten den Ton angibt und die Außenminister eher eine ausführende Rolle haben.
Sind die Chancen, dies zu ändern, diesmal größer als bei früheren Kabinettsbildungen? Die Skeptiker überwiegen. Zwar gibt es erste zaghafte Stimmen auch aus dem FDP-Lager, die ein Europa-Ministerium verlangen. Dass Guido Westerwelle, sollte er Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Auswärtigen Amt beerben, seine erste Amtszeit mit einem Abbau seiner Kompetenzen beginnt, glaubt aber eigentlich niemand.
Teil des Kabinett-Tableaus
Allenfalls, kolportieren Kenner auch aus dem liberalen Lager, könnte das mit einem Kompensationsgeschäft laufen. Ein Europa-Minister im Kanzleramt unter Merkels Ägide für einen Kommissar-Posten auf FDP-Ticket in Brüssel. Der bisher letzte FDP-Mann in der EU-Kommission war Martin Bangemann von 1989 bis 1999.
Der deutsche Vertreter in der Brüsseler Regierung wird in Berlin politisch gleichwertig mit einem Ministerposten gehandelt. Das heißt, dass diese Personalie letztlich Teil des Kabinett-Tableaus sein wird, das bis Ende des Monats stehen soll. Schon im Wahlkampf hatte Merkel darauf bestanden, dass der Nachfolger von Günter Verheugen (SPD) ein CDU-Mann sein muss. "Ein wichtiges Wirtschaftsressort" verlangen die Deutschen.
Als Haupt-Kandidat für diesen Posten gilt nach wie vor Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hintze. Die oft ebenfalls genannten Wolfgang Schäuble und Roland Koch haben bereits abgewinkt. Bis sich das entscheidet, muss allerdings erst die neue EU-Kommission stehen. Das hängt wiederum davon ab, wann der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt. Letzte Verzögerungen durch den tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus zum Trotz - in Berlin ist die Hoffnung groß, dass dies bis spätestens mitte Januar der Fall sein wird.
Quelle: ntv.de, Frank Rafalski, dpa