Dossier

"Langsamer raus als rein" Kreml lässt sich Zeit mit Abzug

Die Ankündigungen des Generalstabs aus dem fernen Moskau schienen die russischen Einheiten in der georgischen Stadt Gori noch nicht erreicht zu haben. Entgegen allen Beteuerungen der Militärführung war in der Stadt 60 Kilometer nordwestlich von Tiflis am Montag im Tagesverlauf wenig von einem russischen Truppenabzug zu sehen, wie westliche Journalisten berichteten. In Konfrontation mit dem Westen machte Moskau eines deutlich: Russische Truppen werden auch nach dem Waffenstillstands-Abkommen noch eine unabsehbare Zeit lang auf georgischem Staatsgebiet bleiben.

Bei der Frage nach Fristen blieb der sonst so akkurate russische Vize-Generalstabschef Anatoli Nogowizyn unverbindlich. "Wir werden nicht so schnell da rausgehen, wie wir reingegangen sind (...)", erklärte der Drei-Sterne-General auf seiner seit dem Beginn des Kaukasuskrieges zur täglichen Routine gewordenen Pressekonferenz.

Das Drängen des Westens auf ein schnelles Handeln ließ Nogowizyn kalt. "Ich kann sagen, wann das neue Jahr beginnt. Aber das genaue Datum für den Abzug unserer Truppen aus dem Konfliktgebiet kann ich noch nicht sagen", erklärte der General. Präsident Dmitri Medwedew hatte seinem französischen Amtskollegen Nicolas Sarkozy am Wochenende lediglich zugesagt, dass der Abzug am Montag beginnen werde, aber nichts zu seinem Abschluss gesagt.

Kriegsmarine bleibt vor Georgiens Küste

Die russische Militärführung nahm es dagegen bei der Formulierung des Abmarsches ganz genau. "Streng genommen handelt es sich nicht um einen Abzug unserer Truppen, sondern um einen Rückzug", erklärte Nogowizyn. Demnach sei am Montag begonnen worden, die Soldaten aus dem georgischen Kernland in das von Moskau protegierte Gebiet Südossetien zurückzuziehen. Wegen der "instabilen Lage" belasse man aber auch die Kriegsmarine weiter vor Georgiens Schwarzmeerküste.

In dem auch von Frankreich ausgearbeiteten Sechs-Punkte-Plan hat sich Russland verpflichtet, seine Streitkräfte auf die Linien vor Beginn der Feindseligkeiten zurückziehen. Das wäre für die absolute Mehrheit der auf 10.000 Soldaten im Konfliktgebiet geschätzten russischen Armee ein Rückzug hinter die eigene Staatsgrenze und nicht nur nach Südossetien.

Allerdings bietet Punkt fünf des von allen Konfliktparteien unterzeichneten Papieres Russland die Option, mit seinen Friedenstruppen vorläufig "zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen" zu ergreifen. Russland hat bereits angekündigt, sein Kontingent an Friedenstruppen in Südossetien von zuletzt etwa 600 Mann verstärken zu wollen. Die Friedenstruppen stehen seit einem früheren Waffenstillstandsabkommen von 1994 mit einem Mandat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) an der innergeorgischen Grenzlinie zum abtrünnigen Südossetien.

Georgien wollte schon vor der Eskalation der Gewalt die russischen Friedenssoldaten durch westliche Schutztruppen ersetzen. Aber das machten und machen die Abchasen und Südosseten nicht mit, die ihr Heil einzig und allein in Russland sehen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow betonte zuletzt, dass Moskau die Menschen in den von Georgien abtrünnigen Gebieten entscheiden lasse, wer sie beschützen solle. Die südossetische Führung fragte vorsorglich beim großen Verbündeten an, ob der nicht gedenke, eigene Militärstützpunkte in dem von Georgien abtrünnigen Gebiet zu errichten.

Besonnene russische Experten wie der Politologe Fjodor Lukjanow warnen die eigene Führung davor, in Sachen Militärpräsenz in Georgien den Bogen zu überspannen. Der Chefredakteur der Zeitschrift "Russland in der globalen Welt" schrieb in der Tageszeitung "Wremja Nowostej" dazu: "Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg muss der Kreml mit politisch-diplomatischen Mitteln das verteidigen, was er zuvor mit kriegerischen Handlungen erreicht hat." Das sei eine ungewohnte Aufgabe für die russische Außenpolitik, ergänzte Lukjanow.

Stefan Voß, dpa

Quelle: ntv.de

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