EU bleibt "System Sarkozy" treu Krisenlösung im Laufschritt
25.01.2009, 14:05 UhrZwei Außenministertreffen zu Nahost innerhalb weniger Tage, Krisendiplomatie in Sachen russisches Gas, Daueralarm wegen der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise: In Brüssel haben sich die Zeiten grundlegend gewandelt. Die einst als behäbig gescholtene Europäische Union versucht sich als dynamische Feuerwehreinheit im weltweiten Einsatz.
Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy machte es im vergangenen Halbjahr vor, wie man in Europa im Laufschritt regieren und Konflikte lösen kann. Der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek, der zum Jahreswechsel den Stab übernahm, legt bisher eine ähnliche Geschwindigkeit vor.
"Das war gut gemacht"
Der Prager Regierungschef vermittelte im Gasstreit zwischen den Streithähnen Russland und Ukraine. Später lobte Prag die EU-Partner dafür, während des Disputs mit einer Stimme gesprochen zu haben. Umgekehrt gibt es Lorbeeren aus den Hauptstädten. "Das war gut gemacht", resümiert ein sonst sehr kritischer EU-Diplomat. "Es gab eine große Gefahr, sich instrumentalisieren zu lassen."
"Das Tempo wird bleiben", wird von tschechischer Seite versichert. Prag will dabei einer französischen Spezialität treubleiben: dem Sondergipfel. Die Tschechen bemühen sich bereits um ein Treffen zwischen dem neuen US-Präsidenten Barack Obama und den Staats- und Regierungschefs der 27er-Gemeinschaft. Angepeilt wird der April. Und im Mai soll es dann eine Extrazusammenkunft zur Gründung der Östlichen Partnerschaft der EU geben, die Länder wie die Ukraine, Georgien oder Weißrussland enger an die Union binden soll.
Beispiellose Schnelligkeit
Während sich üblicherweise Gesetzgebungsverfahren in der EU oft über Jahre hinschleppen, geht es in der Wirtschafts- und Finanzkrise auf einmal ganz schnell. "Wir müssen jetzt handeln, wir haben es mit einer beispiellosen Krise zu tun", meint EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso. "Die Krise hat gezeigt, dass mehr Europa nötig ist und nicht weniger."
Der frühere portugiesische Regierungschef verweist stolz darauf, dass die Europäer schon sehr früh auf das Treffen der führenden Wirtschaftsnationen der Welt (G20) in Washington im vergangenen Jahr pochten. Das Nachfolgetreffen ist für den 2. April in London geplant. "Das bereiten wir jetzt vor. Wir müssen den Schwung behalten und sind für eine ehrgeizige Tagesordnung." Die Europäer wollen insbesondere Vorschläge machen für eine bessere Überwachung der aus den Fugen geratenen Finanzmärkte.
Gewandelte Machtverhältnisse in Brüssel
Die aktuellen Krisen zeigen deutlich, dass sich die Machtverhältnisse in Brüssel gewandelt haben. Während früher die EU-Kommission als einzige Institution das europäische Allgemeininteresse vertrat, ist inzwischen das Europaparlament zu einer wichtigen Schaltzentrale aufgestiegen. Und die Mitgliedstaaten, vor allem die großen, sehen diesem Poker um Einfluss und Ansehen nicht tatenlos zu.
Die Franzosen nutzten im vergangenen Jahr ihren bewegten EU-Vorsitz, um die Rolle der Staaten in Europas Hauptstadt neu zu beleben. Sarkozys Aktivismus von Moskau bis Washington war äußerliches Zeichen dafür. "Die Arbeitsweisen der Franzosen gehen nun weiter" - so schlicht umschreibt ein EU-Diplomat den Kurs der Tschechen.
Quelle: ntv.de, Christian Böhmer, dpa