Dossier

Fünf Entführungen in aller Welt Krisenstab besorgt um Deutsche

Hinter der schweren Stahltür im Keller des Auswärtigen Amts wird wieder mit Hochdruck gearbeitet. In dem besonders gesicherten Raum ringen die Männer und Frauen des Krisenstabs um das Leben von inzwischen neun in aller Welt entführten Deutschen. Fünf gleichzeitig laufende Entführungen - im Irak, in Afghanistan, in Somalia und nun noch in der Türkei sowie in Nigeria - so etwas gab es selten zuvor. Rund um die Uhr werten die Experten die eingehenden Informationen von Geheimdiensten, Ermittlern und Botschaften aus. Die anfängliche Hoffnung auf eine schnelle Freilassung der von der kurdischen Rebellenorganisation PKK entführten drei Bergsteiger hat sich zerschlagen.

Gespannt wartet man in Berlin nun auf die Befragung der zehn Tour-Kameraden der Entführten, die am späten Freitagabend streng abgeschirmt auf dem Münchner Flughafen gelandet und von ihren Angehörigen in Empfang genommen worden waren. Auch der im Wahlkampf stehende Landesinnenminister Joachim Hermann (CSU) begrüßte die Mitglieder des Deutschen Alpenvereins und berichtete anschließend vor den Kameras, sie seien "gesund, aber von den Strapazen der letzten Tage mitgenommen". Unter Polizeischutz wurden sie da bereits fortgebracht, wahrscheinlich in ihre Wohnorte.

Nur wenige wissen, wo die Bergsteiger im Auftrag des Bundeskriminalamts von Beamten des bayerischen Landeskriminalamts befragt werden. Aus Ermittlerkreisen hieß es: "Das Ganze soll möglichst rasch über die Bühne gehen." Detailliert dürften die zehn Frauen und Männer die Fragen beantworten. Den Ermittlern nützt möglicherweise, dass unter den zurückgekehrten Bergsteigern auch eine Kriminalbeamtin ist, die unmittelbar nach dem Überfall per Handy bereits ihre bayerischen Dienststelle alarmiert hatte.

Die fünf Bewaffneten von der PKK hatten sich am Dienstagabend fast höflich verhalten, als sie im Camp am biblischen Berg Ararat in 3200 Meter Höhe auftauchten, wie der "Spiegel" berichtet. In gebrochenem Englisch hielten sie sogar einen Kurzvortrag über die Situation ihres Volkes, bevor sie mit drei Männern aus der Gruppe, darunter dem 65-jährigen Leiter Helmut H., in der Dunkelheit verschwanden.

Warnung vor Anschlägen und Entführungen

Als die Nachricht von der Entführung im Auswärtigen Amt eintraf, dürfte man dort nicht völlig überrascht gewesen sein - höchstens über den Ort. Denn das Bundeskriminalamt (BKA) hatte nach Medienberichten die Innenministerien und das Auswärtige Amt bereits am 2. Juli - eine Woche vor der Geiselnahme - über die wachsende Gefahr von Anschlägen und Entführungen durch die PKK in der Türkei gewarnt. Dem soll ein Hinweis der türkischen Polizei an das BKA vorausgegangen sein. Möglicherweise hatte sich dieser Hinweis aber nicht auf die Ost- Provinz Agri bezogen, in der der Ararat liegt, sondern auf weiter südlich gelegene Provinzen im Kurdengebiet: Denn einen Tag nach der Information warnte das Außenamt vor Reisen in die Provinzen Hakari, Sirnak und Mardin und einen weiteren Tag später auch vor Siirt.

Unter dem seit Monaten anhaltenden Bombardement der türkischen Armee ist die PKK möglicherweise unberechenbarer geworden. Hinzu kommt wohl der Ärger darüber, dass Deutschland, das als Rückzugsraum kurdischer Aktivisten gilt, den Kurden-Sender Roj-TV verboten hat. Die Entführer verlangen eine Erklärung, dass die Bundesrepublik ihre "feindliche Politik gegenüber dem kurdischen Volk und der PKK" aufgibt.

Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, August Hanning, wird bereits mit den Worten zitiert: "Wir müssen uns möglicherweise auch im Inland auf eine neue Gefahrenlage einstellen." Das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen, wo besonders viele Kurden leben, sieht aber keine veränderte Lage. Bei einem Sport- und Kulturfest von 5000 Kurden am Samstag in Köln wurde zwar das Verbot von Roj-TV heftig kritisiert - das Zeigen verbotener Symbole wurde aber von den kurdischen Ordnern unterbunden.

Paul Winterer und Christian Andresen, dpa

Quelle: ntv.de

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