Dossier

Reinhard Bütikofer im Interview "Kurfürsten kegeln"

Die Grünen haben in Bremen ein "historisches Ergebnis" abgeliefert. Darüber freut sich auch Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der Partei. Warum er gerne mit der SPD koalieren möchte, warum es mit der FDP schwierig ist und wieso es mit der CDU gar nicht geht, erklärt er im Gespräch mit n-tv.de.

n-tv.de: Herr Bütikofer, mögen Sie Bremen?

Bütikofer: Mir gefällt Bremen. Ich bin vor 25 Jahren zum ersten Mal dort gewesen, als ich eine Radtour von Heidelberg aus dorthin gemacht habe.

Das ist aber ganz schön weit…

Nun, ich habe mir damals auch ein bisschen Zeit genommen.

Gefällt Ihnen denn auch das Leben ohne Regierungsverantwortung?

Man kann was draus machen, wie wir in Bremen gezeigt haben. Man kann stärker werden, wenn man ein klares Profil entwickelt und den Bürgerinnen und Bürgern vermittelt, dass es eine gute Alternative gibt. Und deswegen sind wir ja jetzt in Bremen auch wieder in die Nähe der Regierungsverantwortung gekommen. Wir können zumindest mit Recht den Anspruch darauf erheben. Und so geht es anderswo auch.

Es steht aber für Sie zu befürchten, dass am Ende SPD und CDU wieder eine große Koalition bilden, vielleicht auch auf Druck aus Berlin. Müssten sich die Grünen nicht doch nach neuen Partnern umsehen?

Ich verstehe die Frage nicht ganz. Nach wem sollte ich mich umsehen in Bremen? Die CDU hat nichts zu bieten und ist schwach auf der Brust, mit der FDP alleine reicht es auch nicht. Dasselbe gilt für die Linkspartei – dazu will die gar nicht regieren. Also haben wir gesagt, wir wollen mit der SPD regieren. Wir haben etwas zu bieten: ein klares finanzpolitisches Profil und ein gutes sozialpolitisches Profil. Außerdem haben wir im Bereich der ökologischen Innovationen eine ganze Menge angestoßen. Und deswegen bin ich optimistisch. Das Votum der Bremerinnen und Bremer war so eindeutig Rot-Grün und gegen die Fortsetzung einer großen Koalition, dass ich davon ausgehe, dass die SPD das sehr sorgfältig prüft.

Aber ist es nicht sinnvoll, langfristig ein bisschen mehr Nähe zur CDU oder zur FDP zu suchen?

Wissen Sie, von diesen Spekulationen, die völlig von der Sache absehen, halte ich überhaupt nichts. Und ich glaube, die Leute halten auch nichts davon. Es muss in der Sache stimmen. Beispiel Mindestlohn: Wir sind dafür, dass es Mindestlohn-Regelungen gibt. Die CDU erklärt ständig, sie ist nicht für Mindestlohn. Ich weiß zwar nicht, wie sie das mit ihrem christlichen Menschenbild vereinbart, dass sie faktisch für millionenfache Armutslöhne eintritt, aber soll ich mich jetzt der CDU an den Hals schmeißen? Und welche Politik sollen wir dann machen mit einer CDU, die an der Stelle überhaupt nicht begriffen hat, was soziale Verantwortung ist. Lassen Sie uns, wenn wir über Regierungen reden, über politische Profile reden. Aber lassen Sie uns nicht reden als wären wir in einem Designershop.

Wenn man sich aber einem Partner verhaftet fühlt, und der sagt dann: "Ich will Dich gerade nicht"…

Entschuldigung, aber wir fühlen uns niemandem verhaftet. Und wir sortieren uns auch nicht in irgendeine Schublade. Wir gehen immer sehr eigenständig ran – das war auch der Erfolgskurs in Bremen. Und so werden wir es auch auf Bundesebene tun. Wir fühlen uns gestärkt durch den Eindruck, dass viele Menschen sagen "Wir wollen mehr Grün". Und mit dem Kurs der Eigenständigkeit können wir dafür sorgen, dass andere Parteien sich mehr auf die Themen einstellen müssen, um die es tatsächlich geht.

Die FDP hat eine ähnliche Wählerstruktur wie die Grünen…

Es gibt einen ganz großen Unterschied. Und der liegt in der sozialen Verantwortung. Wähler der Grünen haben einen sehr starken Begriff von sozialer Gerechtigkeit. Das finden Sie bei der FDP nicht.

Das bringt uns zum Stichwort Einzug der Linkspartei in ein westliches Landesparlament. Haben die Grünen ihr soziales Profil nicht ausreichend transportiert?

Ich wundere mich über die Frage. Hätten wir in Bremen Stimmen verloren, und die wären alle zur Linkspartei gewandert, dann müssten wir die Frage vielleicht stellen. Aber tatsächlich haben die Grünen das beste Landtagswahl-Ergebnis erzielt, das wir jemals hatten. Das heißt, obwohl die Linkspartei beträchtlich zugelegt hat, haben wir ein sensationelles Ergebnis erzielt. Ich glaube nicht, dass wir jetzt auf die Arme-Sünder-Bank müssen. Ich habe viele Bremer getroffen, die gesagt haben, der Erfolg der Grünen hat auch damit zu tun, dass es ein erkennbares sozialpolitisches Profil gibt.

Ein Ausblick auf die Landtagswahlen im kommenden Jahr: Die Konstellationen sehen nicht so günstig aus für die Grünen. Wie planen Sie, wieder in die Landesregierungen hinein zu kommen?

Sie wissen mehr als ich, Sie wissen mehr als die Demoskopen und Sie wissen offensichtlich mehr als die Wähler. Eigenständigkeit bleibt das Stichwort. Im Übrigen ist die Tatsache, dass wir nicht an der Regierung beteiligt sind, eine wunderbare Gelegenheit, anzugreifen. Da sind vier schwarze Kurfürsten, die wir einen um den anderen kegeln wollen. Und worum es dabei in der Sache geht, lässt sich einfach formulieren. Es geht um eine verantwortliche Klima-Politik, da haben wir viel zu bieten. Es geht um eine Politik sozialer Verantwortung und sozialen Ausgleiches. Und es geht um innere Liberalität und Bürgerrechte. Und unter der sozialen Gerechtigkeit spielt die Bildung eine große Rolle. Wir machen also da weiter, wo wir jetzt erfolgreich waren.

(Die Fragen stellten Tilman Aretz und Jochen Müter)

Quelle: ntv.de

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