Französische Linkspartei gegründet Lafontaine hat es vorgemacht
30.11.2008, 16:53 UhrOskar Lafontaine weiß natürlich, dass sich der Erfolg seiner Linkspartei nicht so einfach auf Frankreich übertragen lässt. Die "Konstellation" sei zu unterschiedlich, sagt er als Gastredner bei der Gründung der französischen Linkspartei im Norden von Paris. Die Geschichte der Partei, die Parteienlandschaft, das Wahlsystem. Aber trotzdem: Die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Probleme der beiden Länder seien ziemlich gleich. "Deshalb wüsste ich nicht, wieso die 'Parti de Gauche' nicht den gleichen Erfolg haben sollte."
Lafontaine ist der vorletzte Redner an diesem Samstagnachmittag in der Sporthalle von L'Ile Saint-Denis. Rund dreitausend Menschen sind es nach Angaben der Veranstalter, die seit Stunden bei Eiseskälte in der Halle sitzen und stehen. Manche schwenken die rote Fahne der neuen Partei, einige tragen ihr Kind auf der Schulter spazieren; an den Ständen am Rand füllen viele den Mitgliedsantrag aus und kaufen rote Anstecker mit dem Schriftzug der Partei. Als der Moderator den Vorsitzenden der deutschen Linkspartei ankündigt, brandet besonders lauter Beifall auf.
Keine faule Kompromisse mehr
Es müsse Schluss sein "mit der fatalen Tradition fauler Kompromisse" in der Politik, ruft Lafontaine, das Vorbild der neuen französischen Partei, den Menschen zu. Viel zu oft hätten die großen sozialdemokratischen Parteien in Europa ihre Grundsätze "wie Ballast fallengelassen". Die Bestechlichkeit der Politik sei "eine Geißel unserer Zeit", sagt der frühere SPD-Politiker und verweist auf die "kolossalen Summen", die gerade erst wieder im Wahlkampf in den Vereinigten Staaten geflossen seien. Die Linkspartei brauche ein klares Profil - eines, das sich von der Uniformität der anderen Parteien abhebe.
Parteigründer Jean-Luc Mlenchon sagt es so: "Der historische Sozialismus, für den wir stehen, hat keinen Platz mehr in einer Mitte-Links-Partei." Er habe es "bis zuletzt" versucht in der Sozialistischen Partei (PS). "Jetzt reicht es, wir schlagen eine neue Seite auf!" Zusammen mit seinem Mitstreiter, dem französischen Abgeordneten Marc Dolez, hatte der Senator zu Beginn des Monats sein Parteibuch zurückgegeben, weil er mit den vorherrschenden Strömungen in der PS nicht einverstanden ist.
Abkehr vom Kapitalismus gefordert
Ein Vergleich mit "Der Linken" in Deutschland ist aber aus mehreren Gründen schwierig. Zum einen schöpft die deutsche Partei einen nicht unerheblichen Teil ihrer Wählerschaft aus der PDS, der Nachfolgeorganisation der sozialistischen Einheitspartei der DDR. "Lafontaine hat Parteien zusammengeschlossen mit seiner kleinen Gruppe aus der SPD", sagt Mlenchon. In Frankreich hat sich die neue Partei dagegen von der PS abgespaltet, die ideologisch ohnehin weiter links steht als die SPD. Außerdem greift in Frankreich der Vorwurf weniger, die Sozialdemokraten hätten sich mit der regierenden Rechten gemein gemacht, während die SPD seit Jahren mit in der Regierung sitzt und vom linken Spektrum für ihren Sparkurs und den damit einhergehenden "Sozialabbau" kritisiert wird.
Mehr als fünftausend Menschen unterstützten seine Partei, sagt Mlenchon, der eine Abkehr vom Kapitalismus fordert und den Reformvertrag der Europäischen Union vehement ablehnt. Genau dies sei ein weiterer Knackpunkt für die Linkspartei, meint Stphane Rozz vom Pariser Meinungsforschungsinstitut CSA. Denn wenn Mlenchon und Dolez für die Europawahlen im kommenden Jahr eine gemeinsame Front der linken und kommunistischen Kräfte anstreben, sei dies "noch keine Garantie", dass es über die Ablehnung des Lissabon-Vertrags hinaus Rückhalt auch bei anderen Themen gebe.
Der politische Kontext in Deutschland unterscheide sich noch in einem weiteren Punkt, meint auch der französische Meinungsforscher Jrme Fourquet. "Die Extremlinke gibt es bei den Wahlen nicht, im Gegensatz zu Frankreich, wo Olivier Besancenot eine starke Konkurrenz darstellt." Der Trotzkist gründet in wenigen Wochen seine eigene anti-kapitalistische Partei.
Quelle: ntv.de, Kerstin Löffler, AFP