100 Tage Jamaika an der Saar "Lafontaine hilft uns"
17.02.2010, 15:15 UhrDer saarländische CDU-Fraktionschef Klaus Meiser zieht eine positive Bilanz der ersten Jamaika-Koalition auf Landesebene in Deutschland. Die Zusammenarbeit funktioniere "stressfrei und gut". Hilfreich sei vor allem gewesen, den Koalitionsvertrag sehr detailliert auszuarbeiten. "Dann hat man eine gute, klare Basis und nicht diesen Streit wie in Berlin."

Ministerpräsident Peter Müller (CDU) zwischen dem Grünen Hubert Ulrich (l.) und FDP-Landeschef Christoph Hartmann.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
n-tv.de: Als die schwarz-gelb-grüne Koalition im Saarland startete, galt sie als Experiment, das möglicherweise Modellcharakter haben könnte. Was ist Ihre Bilanz nach 100 Tagen: Können Sie Jamaika weiterempfehlen?
Klaus Meiser: Der Start ist gut, bisher kann ich Jamaika weiterempfehlen. Es war der richtige Weg, den Koalitionsvertrag sehr detailliert auszuarbeiten. Dann hat man eine gute, klare Basis und nicht diesen Streit wie in Berlin. Das hat uns sehr geholfen.
Was sagen Sie zu dem Resümee, die Koalition habe sich in ihren ersten 100 Tagen vor allem von ihrer grünen Seite gezeigt?

Klaus Meiser ist Fraktionschef der CDU im saarländischen Landtag.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Von der Optik her ist das sicherlich richtig, weil zwei Hauptanliegen der Grünen, die Abschaffung der Studiengebühren und das Nichtraucherschutzgesetz, als erstes die Hürden im Parlament genommen haben. Insgesamt ist unser Programm jedoch sehr ausgewogen. In den nächsten Wochen wird man sehen, dass große Themen der CDU ebenfalls über die Bühne gehen - ob das die kommunale Finanzen oder die Personalstärke bei der Polizei ist, die Stärkung des Gymnasiums oder die Beitragsfreiheit an den Ganztagsschulen. Eine Koalition kann nur halten, wenn das Miteinander fair und das Regierungsprogramm ausgewogen ist. Das ist bei uns der Fall.
Im Koalitionsvertrag haben Sie sich darauf geeinigt, dass die Grundschule auch die fünften Klassen umfassen soll. Außerdem soll es im Saarland nur noch zwei weiterführende Schulen geben, das Gymnasium und die Gemeinschaftsschule. Das klingt ein bisschen nach der Hamburger Schulreform ...
Nein, ganz im Gegenteil! Hamburg plant sechs Jahre gemeinsames Lernen. Es ist richtig, dass die Gemeinschaftsschule die Handschrift der Grünen trägt. Aber wir haben das Gymnasium fast unverändert erhalten. Das fünfte Grundschuljahr ist zugleich das erste Jahr am Gymnasium. Wir haben dabei zwischen Fächern wie Sport, Musik und Religion und Hauptfächern unterschieden. Kernfächer werden im fünften Jahr weiterhin von Gymnasiallehrern unterrichtet. Das ist mit Hamburg nicht vergleichbar. Im Übrigen muss man abwarten, ob es überhaupt eine Mehrheit für die Verfassungsänderung gibt, die notwendig ist, um das fünfte Grundschuljahr einzuführen. Dafür brauchen wir die Zustimmung der SPD.
Findet das fünfte Jahr räumlich an den Grundschulen statt?
Nein, das findet dort statt, wo Platz ist. Angesichts der demografischen Entwicklung wäre es ja ein Irrsinn, an den Grundschulen anzubauen, während an den weiterführenden Schulen Räume vorhanden sind. Sollte die Verfassungsänderung kommen, muss man schauen, wie diese Frage intelligent gelöst wird.
Die nordrhein-westfälischen Grünen können sich nach der dortigen Landtagswahl im Mai eine schwarz-grüne Koalition vorstellen, aber mit der FDP wollen sie auf keinen Fall regieren. Wie kommen FDP und Grüne bei Ihnen im Saarland miteinander zurecht?
Das Verhältnis zwischen FDP und Grünen ist von Fairness geprägt. Bei den Koalitionsverhandlungen wurden die Streitpunkte zum Teil heftig diskutiert. Jetzt gilt das Motto "pacta sunt servanda" - Verträge müssen erfüllt werden. Auf dieser Basis funktioniert die Zusammenarbeit stressfrei und gut.
Auf welchen Ihrer beiden Partner könnten Sie am leichtesten verzichten?
Da gebe ich die klare Antwort: Beide Partner sind verlässlich, mit beiden Partnern arbeiten wir gut zusammen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich keine Präferenz nennen.
Was war auf Unionsseite die schwerste Hürde für die Koalition mit den Grünen?
Für uns war die schwierigste Hürde das absolute Nichtraucherschutzgesetz. Aber das war eine nichtverhandelbare Bedingung der Grünen - und dieses Gesetz war ihnen auch von der anderen Seite zugestanden worden, von SPD und Linken, es wäre also in jedem Fall gekommen. Das zweite, sehr schwierige Zugeständnis war die Abschaffung der Studiengebühren. Dort haben wir aber CDU-Handschrift behalten, indem sichergestellt haben, dass die Hochschulen keine finanziellen Einbußen erleiden. Und auch die Grünen haben erhebliche Zugeständnisse gemacht. Etwa in der Industriepolitik. Die Grünen haben zugestanden, dass das Saarland Industrieland bleibt und dass Großkraftwerke auf fossiler Basis bis 500 Megawatt denkbar sind.
Noch vor Beginn der Koalitionsverhandlungen hatte sich Ministerpräsident Peter Müller gegen eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken und für den Ausbau erneuerbarer Energien ausgesprochen. Der Ausstieg aus dem Ausstieg ist nicht Ländersache, insofern könnte man sagen, Müller hat preisgünstig punkten wollen.
Peter Müller hat mit seiner Meinung nur dargestellt, was Gesetzeslage ist. Eine Laufzeitenverlängerung würde voraussetzen, das Gesetz zu ändern.
Der Streit um Bundesumweltminister Norbert Röttgen hat gezeigt, wie sehr Kernkraft ein Herzensanliegen mancher Unionspolitiker ist. Wie schwer ist es für die Union, eine neue Haltung zur Atomkraft zu finden, die vielleicht Grünen-kompatibel ist?
Ich habe den Eindruck, dass nicht nur CDU und Grüne, sondern alle Parteien sich langsam in Richtung Lebenswirklichkeit bewegen. Ich persönlich bin der Auffassung, dass wir in der jetzigen Phase, wo wir Brücken in ein neues Energiezeitalter bauen müssen, für eine gewisse Frist alle Energiearten brauchen werden. Mein Appell wäre, dass man von den ideologischen Bergen runterkommt. In den 90er Jahren gab es die Energie-Konsens-Gespräche, die - abgesehen vom Kohlekompromiss - kaum Ergebnisse gebracht haben. Wir brauchen in der Gesellschaft einen Energiekonsens aller Kräfte. Das würde uns helfen, dass in der Energiewirtschaft noch einmal stärker investiert wird.
Glauben Sie, dass es die Jamaika-Koalition ohne den gemeinsamen Gegner Oskar Lafontaine überhaupt gegeben hätte?
Davon bin ich überzeugt. Allerdings tut Herr Lafontaine sicherlich alles dafür, dass in der Koalition Solidarisierung stattfindet. Wer so beleidigt und diffamiert, muss sich nicht wundern, wenn er sich selbst demaskiert. Er hat denen, die darüber nachgedacht haben, ob man mit ihm koalieren könnte, ihre Entscheidung bestens bestätigt.
Mit Klaus Meiser sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de