Dossier

Schlechte Stimmung Lammert in Polen

Eigentlich wollte Bundestagspräsident Norbert Lammert freundlich sein und einen für das deutsch-polnische Verhältnis nach vorne gerichteten Vorschlag machen. Die Kontakte zwischen den beiden Parlamenten, dem Bundestag und dem Sejm, sollen institutionalisiert werden. Einmal im Jahr sollen sich die Parlamentspräsidien treffen, wechselweise in Warschau und Berlin. Die Volksvertreter wollen das Regierungshandeln beider Seiten begleiten. Dies hat durchaus auch den Charme, so Lammerts Rechnung, dass dann auch die polnische Parlamentsopposition mit am Tisch sitzt.

Die deutsch-polnischen Beziehungen seien wichtig für die Integration der neuen EU-Mitglieder, versucht Lammert in Warschau das lädierte Selbstbewusstsein der Nachbarn zu heben. Es half nichts. Schon bei der ersten Begegnung des dreitägigen Besuchs legte sein Amtskollege, Sejmmarschall Marek Jurek, einige der derzeit gängigen polnischen Vorwürfe gegen die Deutschen auf: Vornan stünden die ungeklärten Eigentumsverhältnisse sowie die nach seiner Auffassung von Deutschen betriebene Geschichtsfälschung, die die polnischen Opfer zu Tätern mache.

Kritisiert wird auch das Stimmenverhältnis in der EU. Deutschland hat 29, Polen 27 Stimmen. Die geplante Ostsee-Gaspipeline verstoße gegen ureigene Interessen Polens. Die Rechte der polnischen Minderheit in Deutschland würden insbesondere beim Polnischunterricht für Kinder beschnitten, so die weiteren Vorwürfe. Und dann mache sich die deutsche Presse über die regierenden Zwillinge Lech und Jaroslaw Kaczynski lustig.

Die Bundesregierung müsse eine aktivere Rolle in der Auseinandersetzung der Preußischen Treuhand um ehemalige Besitztümer in Polen übernehmen, mahnte Jurek. Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski verlangte eine neue gemeinsame Erklärung. Diese sollte nach polnischem Verständnis einen rechtlichen Anspruch auf ehemaligen deutschen Besitz in Polen ein für alle Mal abwehren. Davon abgesehen, dass die Bundesregierung niemandem verbieten kann, vor Gericht zu ziehen, würde beim Erfolg der Klage der Alteigentümerorganisation vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte allein die Bundesregierung in die Pflicht genommen.

SPD-Chef Kurt Beck sieht durchaus Defizite und plädierte im Bundesrat für vertrauensbildende Maßnahmen Richtung Polen. Die sind durchaus da, sie werden allerdings in Polen kaum genannt. Kein Wort über die mehrfachen Versuche von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in einer gemeinsamen Kommission, die deutsche Energiepolitik auch mit Blick auf die deutsch-russische Ostsee-Gaspipeline abzustimmen. Zugegeben ein schwieriges Unterfangen, nachdem die Schröder-Regierung hier viel Porzellan zerschlagen hatte. Und auch das Bemühen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um den östlichen Nachbarn findet kaum Anerkennung. Mitte März wird sie wieder nach Warschau reisen, um für bessere Stimmung zu sorgen.

Ein weiterer Punkt, den Jaroslaw Kaczynski gerne gegen die Deutschen anführt, ist, dass die Polen den Schuldkomplex der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg besser hätten ausnützen müssen. Gerade eine solche Position zeigt, dass die deutsche Seite noch erheblichen Langmut braucht, um die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern.

Ruppert Mayr, dpa

Quelle: ntv.de

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