Kaum Veränderung in Sicht Lukaschenko lässt wählen
28.09.2008, 15:03 UhrZu keinem Land in Europa hat die EU seit Langem derart schlechte Beziehungen wie zu Weißrussland. Dass Brüssel dennoch mit gewissen Hoffnungen auf die Parlamentswahl am Sonntag in der Ex-Sowjetrepublik schaut, hängt mit einem angeblichen Sinneswandel von Präsident Alexander Lukaschenko zusammen, der als "letzter Diktator Europas" gescholten wird. Während Lukaschenko beteuert, es dieses Mal mit der Demokratie ernst zu meinen, beklagte die Opposition bereits im Vorfeld massive Verstöße.
Die Regierungsgegner wollen aber mehrheitlich die Wahlen nicht boykottieren und treten mit etwa 70 Kandidaten für die 110 Mandate an. Wie bei früheren Wahlen verboten die Behörden eine Kundgebung am Wahlabend auf dem zentralen Oktoberplatz in der Hauptstadt Minsk. Die Opposition will dennoch demonstrieren. Konflikte mit der Polizei sind zu erwarten.
In den vergangenen Monaten hat das Werben der USA und der EU um Moskaus Verbündeten Weißrussland spürbar zugenommen. Sein Land habe sich bei der Organisation einer Wahl noch nie so stark an die Vorgaben des Westens gehalten wie bei diesem Mal, verkündete Lukaschenko (54). Zuvor hatte er die letzten politischen Gefangenen freigelassen.
OSZE skeptisch
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bleibt skeptisch. Entscheidend sei, ob die Wahlbeobachter nach Schließung der Wahllokale auch die Stimmenauszählung verfolgen dürfen, hieß es in einem Vorbericht. Die OSZE will am Montag ihr Urteil über die Wahl abgeben. Davon hängt das weitere Vorgehen des Westens im Verhältnis zu Weißrussland ab.
Lukaschenko schwankt in den Beziehungen zur EU und zu den USA weiter zwischen Annäherung und Konfrontation. Sollte die Parlamentswahl einmal mehr für "undemokratisch" erklärt werden, "brechen wir die Gespräche mit ihnen ab", drohte Lukaschenko. Dabei dürfte seinem Land ebenso viel wie der EU an einem Ausgleich gelegen sein. Der russische Druck auf Minsk hat enorm zugenommen. Billiglieferungen von Öl und Gas gehören längst der Vergangenheit an. Damit wuchs die finanzielle Abhängigkeit Weißrusslands vom Kreml.
Zur Überraschung vieler ist Lukaschenko bislang nicht dem Schritt Russlands gefolgt, die Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien anzuerkennen. Mit dieser wichtigen Frage müsse sich das neue Parlament auseinandersetzen, kündigte Lukaschenko an. So kann er in Ruhe abwarten, ob das Verhältnis zum Westen als Alternative taugt. Die EU lockt immerhin mit einem Ende der Sanktionen, zu denen auch ein Einreiseverbot für die weißrussische Führung zählt, sowie mit Handelserleichterungen.
Von Demokratisierung keine Spur
Die Regierungsgegner in Weißrussland merken von der propagierten Demokratisierung bislang wenig. Mitte September prügelte die Polizei in Minsk wieder eine Versammlung Oppositioneller auseinander, die an das Schicksal mehrerer Lukaschenko-Kritiker erinnerte, die seit fast zehn Jahren spurlos verschwunden sind.
Ärger gab es im Vorfeld der Wahl bereits um die üblichen vorgezogenen Stimmenabgaben in Kasernen und Studenten-Wohnheimen. Die Opposition beklagte, Studenten müssten unter Zwang wählen gehen. Zudem seien Manipulationen an den Wahlurnen zu befürchten. Bei der Parlamentswahl 2004 ging die in sich zerstrittene Opposition in allen 110 Wahlkreisen leer aus. Sie seien "arbeitslose Krawallmacher", beschimpfte Lukaschenko seine Gegner. In den fast 15 Jahren als Präsident hatte er das Parlament zum ausführenden Organ degradiert.
Das Oppositionsbündnis Vereinigte demokratische Kräfte hat auch diesmal keine Hoffnung, dass einer von ihnen einen Parlamentssitz gewinnen wird. Im Lande Lukaschenkos habe sich nichts geändert. Weiterhin würden "Kandidaten nicht gewählt, sondern ernannt", sagt der Vorsitzende des Bündnisses, Winzuk Wetscherko. In mehreren Wahlkreisen gebe es überhaupt nur jeweils einen Bewerber - allesamt Kandidaten der Staatsmacht.
Stefan Voß, dpa
Quelle: ntv.de