Neue Regierung packt es nicht Madagaskar vor dem Abgrund
14.04.2009, 08:06 UhrKnapp einen Monat nach der Vertreibung von Staatschef Marc Ravalomanana durch den Andry Rajoelina stehen die neuen Machthaber finanziell sowie innen- und außenpolitisch mit dem Rücken zur Wand - und vor einem tiefen Abgrund. Demonstrationen der Regime-Gegner gehen mit unverminderter Heftigkeit weiter. Der ehemalige Nachtclubbesitzer Rajoelina, der sich nach einem vom Militär gestützten, verdeckten Putsch vom Verfassungsgericht als Übergangs-Präsident bestätigen ließ, zeichnet sich derzeit dagegen durch das Feuern von Personen in Schlüsselpositionen aus.
Gerade hat er die Chefs der 22 Regionen der Tropeninsel vor die Tür gesetzt, ohne jedoch Nachfolger parat zu haben. Der Minister für Telekommunikation ist auch Interims-Gesundheitsminister und hat sich gleich mit einer zweifelhaften Entscheidung in die Nesseln gesetzt. Er ordnete den Wechsel an der Spitze des Krankenhauszentrums der Universität an. Nach einem mehrtägigen Streik des medizinischen Personals musste er klein beigeben - der Amtsinhaber darf bleiben.
Reisewarnungen abmildern
Ähnliche Reaktionen gab es, als Rajoelinas Erziehungsminister den Direktor eines Gymnasiums schasste. Jetzt streiken Schüler und Eltern vor dem Ministerium und fordern dessen Wiedereinsetzung. Der Generalstreik der Mitarbeiter der Zentralbank ist nun beigelegt, im benachbarten Finanzministerium wurde zeitgleich gegen die illegale Machtübernahme demonstriert. Der Tourismusminister will nach dem katastrophalen Einbruch im Hotel- und Tourismusgewerbe die Botschaften bewegen, die Reisewarnungen der einzelnen Länder abzumildern, da es angeblich nur in der Hauptstadt unsicher sei. Doch zeitgleich berichten Tageszeitungen von Überfällen im Hinterland.
Etliche Mitglieder der früheren bewaffneten Präsidentengarde sind trotz mehrfacher Aufforderung noch immer nicht in ihre Kasernen zurückgekehrt. Hinzu kommt, dass in Naturschutzgebieten von bewaffneten Banden gnadenlos gewildert und Edelhölzer gefällt werden.
Rajoelina - von dem böse Zungen behaupten, er sei ein unehelicher Sohn seines Rivalen - ist im Ausland isoliert und wird wegen der verfassungswidrigen Machtübernahme geschnitten. Die Zerschlagung des einzigen inselweit operierenden Molkereiprodukte-Konzerns "Tiko" von Ravalomanana steht bevor. Rajoelinas Finanzchef hat dem Konzern zugestanden, zu steuerlichen Konditionen wie alle anderen Firmen auch weiterproduzieren zu dürfen. Doch die Tiko-Geschäftsleitung will erst wieder arbeiten, wenn Recht und Ordnung im Lande herrschen.
Reis zu Dumpingpreisen
In einer Presseerklärung wird zudem auf die Steuerforderung von angeblich 792 Millionen US-Dollar aus den vergangenen sieben Jahren hingewiesen, die Rajoelinas Eintreiber zur Füllung der Staatskasse einfordert. Die Schäden, die Rajoelinas Anhänger mit Beginn des außer Kontrolle geratenen Generalstreikes Ende Januar in Märkten und Produktionsstätten der Tiko-Kette angerichtet haben, gehen dagegen in zweistellige Millionenhöhe. Rajoelina lässt das Grundnahrungsmittel Reis derzeit zu Dumpingpreisen verkaufen - er wurde von der Firma seines Amtsvorgängers importiert und einfach konfisziert. Das löst bei den einheimischen Produzenten ein Sturm der Entrüstung aus.
Ähnlich sieht es beim Billigöl aus, dass in übertünchten Tiko-Fässern ebenfalls von Rajoelinas Anhängern beschlagnahmt und nun günstig verkauft wurde. Der südkoreanische Mischkonzern Daewoo Logistics, der auf einer Fläche von 1,3 Millionen Hektar Palmöl und Mais für die asiatische Bevölkerung auf Madagaskar anbauen wollte, hat seinen Rückzug bestätigt. Die Generaldirektion betonte in einer Presseerklärung, dass andere Staaten mit einem besseren Klima für Investitionen im Agro-Businessbereich bevorzugt werden.
Klaus Heimer, dpa
Quelle: ntv.de