Dossier

Gegen Armut und soziale Ausgrenzung "Man muss sehr vieles verändern"

In Stockholm hat die 8. Europäische Konferenz gegen Armut und soziale Ausgrenzung stattgefunden. Zwei Tage lang berieten Vertreter der EU-Kommission und der schwedischen Ratspräsidentschaft mit Vertretern von nichtstaatlichen Organisationen, Wissenschaftlern, Kommunalpolitikern und Basisaktivisten über die Wege zur Bekämpfung der Armut unter den Bedingungen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise. Ein offizielles Abschlussdokument gab es nicht. In einem stimmten aber die meisten Teilnehmer überein: Dem Kampf gegen die Armut und soziale Ausgrenzung muss ein völlig neuer Stellenwert eingeräumt werden. Sonst drohen ernste soziale Spannungen.

Manfred Bleskin hatte Gelegenheit, am Rande des Treffens mit dem EU-Kommissar für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit Vladimír Špidla zu sprechen.

Vladimír Špidla

Vladimír Špidla

n-tv.de: Welchen Weg zur Bekämpfung der Armut halten Sie in Zeiten der Rezension für den besten?

Vladimír Špidla: Das wichtigste ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. Aber selbstverständlich muss man auch alle andere Mittel zum Schutz der sozialen Belange einsetzen. Dazu gehört unter anderem die Förderung von Bildung.

Manch einer auf der Konferenz sagte, Armut sei auch eine Frage der Kultur. Man müsse die Kultur der Armen ändern. Geht das auf, wenn man nicht gleichzeitig die sozialen Bedingungen verändert?

Das ist eine sehr komplexe Frage. Die Armut in Europa ist sehr individualisiert. Man muss sehr vieles verändern. Aber mechanisch zu sagen, man müsse nur die Bedingungen verändern, das stimmt nicht.

Manchmal scheint es, dass die Europäische Union sehr viel mehr damit beschäftigt ist, das Finanz- und Bankensystem zu stützen als die gesellschaftliche Armut zu bekämpfen.

Das ist nicht der Fall. Warum hat man die Banken geschützt? Um zu verhindern, dass die Katastrophe kommt. Durch den Sturz von Banken kommt es zu einer Katastrophe in der Ökonomie. Und dadurch käme es zu Armut und anderen schwierigen Situationen. Es war also kein Schutz der Banken, sondern ein Schutz der Gesellschaft durch die Banken.

Auf der Konferenz hieß es auch, außergewöhnliche Zeiten erforderten außergewöhnliche Maßnahmen. Was könnten solche außergewöhnlichen Maßnahmen sein?

So etwas zu fordern, ist einfach. Eine Regierung hat es da schon schwieriger. Aber der Schutz der Banken war ja schon eine außergewöhnliche Maßnahme. Zum ersten Mal in der Geschichte hat Europa ein gemeinsames Programm zur Wiederbelebung aufgelegt. Auch das war außergewöhnlich. Wir haben Ländern geholfen, de in einer sehr schwierigen Lage waren, den baltischen Staaten, Ungarn, zum Beispiel. Wir haben direkt die Staatshaushalte dieser Länder finanziert; auch das ist außergewöhnlich. Vielleicht müssen wir noch zu anderem Außergewöhnlichen greifen, aber wir haben schon sehr viel gemacht.

Schweden war immer ein Wohlfahrtstaat. Was kann Europa, die EU vom schwedischen Modell lernen?

Wir können im Allgemeinen von jedem Mitgliedsstaat lernen. Jedes Land hat Stärken und Schwächen. Das Außergewöhnliche an Schweden ist die Qualität des sozialen Dialogs, die Fähigkeit der Sozialpartner, auch die schwierigsten Fragen zu lösen. Daraus können wir lernen.

Manfred Bleskin

Manfred Bleskin

Liegt das Geheimnis des schwedischen Erfolgs nicht auch in der Dezentralisierung der Sozialarbeit? Die Kommunen sind direkt verantwortlich für die Armutsbekämpfung.

Na ja, das ist eine interessante Seite des Gesamtsystems. Wir können das schwedische System jetzt nicht in allen Einzelheiten analysieren. Aber denken Sie an die Niederlande oder die Tschechische Republik. Dort gibt es die niedrigste Armutsrate in der EU. Es gibt also auch andere Wege.

Sie erwähnen Ihre Heimat, die Tschechische Republik. Was passiert, wenn Präsident Václav Klaus bis zu den Wahlen in Großbritannien wartet, die Konservativen die Wahl gewinnen und ein Referendum über den Lissabon-Vertrag abhalten?

Ich bin Historiker, und ich bin nicht für hypothetische Vorhersagen. So etwas ist wirklich unsicher und vielleicht nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben werden o der den Magnetismus, der durch das Mikrofon fließt.

Quelle: ntv.de

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