Dossier

Dem Osten entgegen Medwedews erste Reise

Der Neue im Kreml gilt als prowestlicher Politiker, doch seine erste Auslandsreise führt ihn demonstrativ nach Osten. Dmitri Medwedew startet zu seinem Antrittsbesuch nach Kasachstan und China. Mit Kasachstan als wichtigster Regionalmacht in Zentralasien und vor allem mit der Großmacht China will Russland ein Gegenwicht zu den mitunter schwierigen West-Beziehungen aufbauen.

Viele russische Experten erwarten, dass der von Medwedews Vorgänger Wladimir Putin praktizierte Spagat zwischen West und Ost auch von dessen politischem Ziehsohn Medwedew fortgesetzt wird. Davon zeugt denn auch Medwedews zweite Auslandsreise, die ihn Anfang Juni nach Berlin führen wird. "Es gibt weder eine eindeutige Ausrichtung in Richtung Westen noch in Richtung Osten oder eine absolute Selbstständigkeit Russlands", sagt der Moskauer Politologe Igor Bunin. Die Politik des Kremls orientiere sich weiterhin am Prinzip einer multipolaren Weltordnung.

Mit China viel gemeinsam

Wann immer der Westen russische Defizite bei den Menschenrechten oder der Korruptionsbekämpfung anprangert, kommt aus Moskau die reflexartige Antwort, man finde auch woanders dankbare Abnehmer für sein Öl und Gas. China ist seit einigen Jahren an Russlands größtem Ölförderer Rosneft beteiligt. Spätestens in fünf Jahren soll die erste Ölpipeline durch Ostsibirien in Richtung China fertig sein.

Seit Jahren demonstrieren China und Russland nach außen gern Eintracht. Beide lehnen als Vetomächte im UN-Sicherheitsrat eine Vormachtstellung der USA ab. Mit der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) gelang es den Partnern, den Einfluss Washingtons in Zentralasien einzudämmen. Doch zugleich hakt es immer wieder in den Wirtschaftsbeziehungen.

Auch in der kasachischen Hauptstadt Astana dürfte Medwedew nicht nur auf Zustimmung treffen. Denn Kasachstan macht dem Westen zunehmend Avancen. So ließ Präsident Nursultan Nasarbajew die Bereitschaft erkennen, sich an einer möglichen Gaspipeline durch das Kaspische Meer in Richtung Europa zu beteiligen. Das Projekt hat das vorrangige Ziel, das russische Monopol auf Gaslieferungen aus dem Osten zu brechen.

Alte russische Tradition

In Russland gehört es zur Tradition, aus der ersten Auslandsreise des neuen Kremlchefs die Ausrichtung die Prioritäten seiner Politik herauszulesen. In den 1990er Jahren ging es in der Regel zuerst nach Minsk. Doch auch Moskau hat längst seine liebe Not mit dem ebenso unbequemen wie autoritären weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko.

Die russische Tageszeitung "Nesawissimaja Gaseta" empfiehlt ihren Lesern, der Antrittsreise nach Kasachstan und China nicht zu viel Bedeutung beizumessen. "Der neue Präsident richtet sein Augenmerk viel stärker in Richtung Westen", schreibt das Moskauer Blatt. Bei seinen Westkontakten bevorzugt Medwedew bislang allerdings ebenfalls eine politische Vielfalt. Zu den ersten Gesprächspartnern am Telefon gehörte neben US-Präsident George W. Bush auch Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi.

Von Stefan Voß, dpa

Quelle: ntv.de

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