Dossier

Auf Adenauers Spuren Merkel in Sde Boker

Die Israel-Reise der Kanzlerin beginnt an einem symbolischen Ort. Im Kibbuz Sde Boker in der Wüste Negev hat vor 42 Jahren die inzwischen von allen Seiten konstatierte deutsch- israelische Freundschaft ihren Anfang genommen. Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte im Mai 1966 dort Israels Staatsgründer David Ben Gurion besucht. Und der 80-jährige Ben Gurion hatte für den 90-Jährigen, der wie er schon einige Zeit aus dem Amt geschieden war, Worte gefunden, die damals in Israel über einen Deutschen noch schwer denkbar waren: "Ich empfand, einen Freund zu treffen."

Nun kommt die Kanzlerin gemeinsam mit dem israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres gleich zum Auftakt ihrer Reise nach Sde Boker, um sich auch an dieses historische und damals sehr emotionale Treffen der beiden alten Männer zu erinnern. Gleich nach der Landung in Tel Aviv und der Begrüßung mit militärischen Ehren durch Ministerpräsident Ehud Olmert ist sie in den Hubschrauber gestiegen, um eine gute halbe Stunde in Richtung Süden zu fliegen.

Der erste Abstecher dieses Besuchs aus Anlass des 60. Jahrestags der Gründung Israels gilt dem Grab von Ben Gurion, das außerhalb des Kibbuz liegt. Merkel legt einen Kranz nieder, um den Mann zu würdigen, der die Unabhängigkeitserklärung des Landes verlesen hatte und dann Deutschland als erster die Hand zur Versöhnung gab. Gemeinsam mit Peres verharrt sie kurz. Dass Peres extra hierher geflogen ist, ist ein Zeichen der Ehre für Merkel. Schon am Flughafen war sie nicht nur von Olmert, sondern von einer überraschend großen Zahl anderer israelischer Spitzenpolitiker begrüßt worden.

Blühende Wüste

Im Kibbuz selbst schaut sie sich das bescheidene Wohnhaus von Ben Gurion an. Sie erfährt, dass er bewusst in die Wüste gezogen war, gemäß des alten zionistischen Traums, die Wüste zum Blühen zu bringen. Auf dem zentralen Platz begegnet sie Kindern und redet für 20 Minuten mit Mitgliedern des Kibbuz. Es ist nichts Verkrampftes, Distanziertes dabei. Merkel wird zum Auftakt des Besuchs wie eine enge Freundin des Landes empfangen, auch "Schalom"-Rufe sind zu hören.

Schon nach der Landung hatte Olmert sie "als enge Vertraute" bezeichnet. "Das Volk Israels schätzt Ihre Freundschaft und Ihr Wirken." Merkel erwiderte, sie sei im Bewusstsein der besonderen Verantwortung für das Existenzrecht Israels gekommen. Schon da erinnert sie an die historische Begegnung zwischen Adenauer und Ben Gurion. Diese sei damals alles andere als selbstverständlich gewesen.

Besondere Verbindung

Merkel und Israel, das ist schon eine besondere Beziehung. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder hat im Nahen Osten immer seinem Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer das Feld überlassen. Merkel ist nun schon das dritte Mal in den vergangen drei Jahren in Israel. Wohl kein deutscher Politiker hat sich so sehr für das Existenzrecht des Landes stark gemacht wie sie.

Es dürfte der Kanzlerin ein echtes persönliches Bedürfnis sein, die Beziehung zum Staat der Juden so eng wie möglich zu knüpfen. Ihr Antrieb ist eine Mischung aus dem Gefühl von historischer Verantwortung und Patriotismus. In einem Interview mit einer israelischen Zeitung hatte sie kürzlich von ihrem Ärger schon zu DDR- Zeiten erzählt, dass die Führung in Ost-Berlin keine diplomatischen Beziehungen zu Israel aufnehmen wollte. Als Kanzlerin will sie heute nicht nur die Erinnerung wach halten, sondern vor allem eine Basis für die künftigen Beziehungen schaffen. Deshalb werden sich an diesem Montag die Kabinette zu den ersten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen treffen - den bislang einzigen der Bundesregierung mit einem Land außerhalb Europas.

Die Kanzlerin will die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel jetzt augenscheinlich endgültig entkrampfen. Die Zeiten sind gut, weil dies auf israelischer Seite auch Olmert will. Es geht ihr dabei auch um das Selbstverständnis der Deutschen. Indem sie die Beziehungen zu Israel normalisiert, will sie auch ein Stück dazu beitragen, dass die Deutschen ein entspannteres Verhältnis zu ihrem Vaterland bekommen.

Quelle: ntv.de, Von Ulrich Scharlack, dpa

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