"Er hat dazugelernt" Merkel und Sarkozy in Bayern
08.06.2008, 12:24 Uhr"Er hat dazugelernt" - in den Wandelgängen des Bundestages ist dies inzwischen die vorherrschende Meinung, wenn von Nicolas Sarkozy die Rede ist. Die Furcht, dass der ebenso quirlige wie machtbewusste französische Präsident die EU mit immer neuen Vorschlägen durcheinanderwirbeln könnte, ist nicht mehr so groß.
Sarkozy hat in den vergangenen Wochen eine Tour durch EU- Hauptstädte unternommen, um die französische EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte vorzubereiten. Kein "Haudrauf-Präsident", sondern ein werbender Staatsmann präsentierte sich, der angesichts schwacher Umfragewerte im eigenen Land international unbedingt Erfolge einfahren muss.
Viel Arbeit im Detail
So kann Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Unionsgipfel in Erding relativ entspannt weiter zum deutsch-französischen Ministerrat ins benachbarte Straubing nach Niederbayern reisen. Große Streitpunkte mit Sarkozy gibt es aktuell nicht. Dafür aber noch viel Arbeit am Detail, vor allem beim Thema Klima. Nach wie vor liegen die Positionen für die Klimaschutzauflagen für Autos zwischen Berlin und Paris auseinander.
"Hier brauchen wir noch einige Zeit", heißt es in Berlin. Deutschland will verhindern, dass mit den neuen CO2-Grenzwerten die deutschen Autobauer vor allem im Premium-Segment benachteiligt werden. Die französischen Kfz-Hersteller kleinerer Fahrzeuge hätten dagegen von den geplanten Brüsseler Vorgaben zumindest kurzfristig einen Wettbewerbsvorteil.
Konfliktpunkte begrenzt
Bei den anderen großen Streitthemen - Mittelmeerunion, Energie, europäische Verteidigung und Migration - sind die Konfliktpunkte dagegen nur noch begrenzt. Die von Sarkozy zunächst im Alleingang geplante neue Kooperation der EU im Mittelmeerraum ist inzwischen akzeptierte Gemeinschaftspolitik. Merkel sorgte Anfang des Jahres dafür, dass dieses Projekt nicht zu einer Spaltung der EU führte.
Die jetzt noch offene organisatorische Ausgestaltung der Mittelmeerunion - etwa der rotierende Vorsitz und der Sitz des Sekretariats - wird in Berlin nicht mehr als großer Konfliktpunkt gesehen. Mitte Juli will Sarkozy mit einem EU-Sondergipfel in Paris sein Lieblingsprojekt aus der Taufe heben.
Doch zunächst sollen die schönen Bilder aus Straubing auch politisch für schönes Wetter zwischen den beiden Nachbarländern sorgen. Merkel, Sarkozy und ihre Außenminister reisen mit ihren Kabinettskollegen für Verteidigung, Wirtschaft und Umwelt zum deutsch-französischen Ministerrat an, der als gemeinsame Kabinettsrunde alle sechs Monate tagt.
Festakt für den deutsch-französischen Verteidigungsrat
Als publikumswirksamen Auftritt haben sich die Veranstalter auch noch den deutsch-französischen Verteidigungsrat einfallen lassen. Das 20-jährige Bestehen des Gremiums, das sonst meist abseits der öffentlichen Wahrnehmung arbeitet, soll auf dem Straubinger Ludwigsplatz mit einem Festakt begangenen werden.
Der örtliche Abgeordnete Ernst Hinsken wird sich dabei ganz besonders freuen. Der auch als "Bayernwaldkönig" bekannte CSU-Mann hatte sich - die Bayern-Wahl im September fest im Blick - bei Merkel für diesen Termin in Ostbayern stark gemacht. Als der Merkel-Sarkozy- Gipfel im März kurzfristig wegen Terminproblemen platzte, ließ der gelernte Bäckermeister nicht locker. "Die Logistik stand schon, da haben wir einfach darauf aufgebaut", heißt es nun bei den Reiseplanern im Kanzleramt.
Von Frank Rafalski, dpa
Quelle: ntv.de