"Damals, in Berlin... " Merkel will in die Geschichtsbücher
25.03.2007, 13:19 UhrDiesmal sollte es nicht bloß ein Gipfel sein, sondern ein Höhepunkt: Kanzlerin Angela Merkel ließ zum 50. EU-Gründungsjubiläum keinen Zweifel an ihren Ambitionen, in die Geschichte der Gemeinschaft einzugehen. Noch in 50 Jahren sollten die Menschen zurückdenken und sagen, "damals, in Berlin, da hat das vereinte Europa die Weichen richtig gestellt", sagte sie in ihrer Festrede. Zwar gelang es der Ratspräsidentin, die Staats- und Regierungschefs der EU auf dem informellen Gipfeltreffen in der Hauptstadt hinter ihrer "Berliner Erklärung" zu versammeln und auf eine grundlegende Reform der Gemeinschaft bis 2009 zu verpflichten. Den Streit um die blockierte Verfassung vertagte sie auf den Sommer, das Ende ihres EU-Vorsitzes. Zur Halbzeit weist die Ratspräsidentin selbst eine durchwachsene Zwischenbilanz vor.
Einigung auf Klimaschutz war Feuertaufe
Ihren bislang wichtigsten Erfolg verbuchte Merkel vor zwei Wochen beim Mega-Thema Klimaschutz. Unter ihrer Führung einigten sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel, den Ausstoß von Treibhausgasen in der EU bis zum Jahr 2020 um ein Fünftel unter das Niveau von 1990 abzusenken. Auch ein Ausbau erneuerbarer Energien wurde verbindlich festgeschrieben. Damit schlug die EU als erster Wirtschaftsraum der Welt Pflöcke für die Zeit nach dem Auslaufen des Klimaschutzabkommens von Kyoto 2012 ein.
Angesichts der allgegenwärtigen Bilder von schmelzenden Eisbergen sowie Expertenprognosen über drohende Dürren und steigende Meeresspiegel war bei den meisten Regierungschefs das Problembewusstsein jedoch derartig geschärft, dass für die Ratspräsidentin nur ein letzter Rest an Überzeugungsarbeit zu leisten war. Dennoch dürfte die Vereinbarung der Kanzlerin und früheren Umweltministerin auch Rückenwind für die zweite Hälfte der Ratspräsidentschaft und Verhandlungen in der Koalition über ein nationales Klimaschutzprogramm geben.
"Damit hat Merkel schon die Hälfte ihrer Schäfchen ins Trockene gebracht", sagt Jan Techau, EU-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Die Kanzlerin habe den EU-müden Bürgern gezeigt, dass die Gemeinschaft auf einem der aktuell wichtigsten Politikfelder handlungsfähig sei. "Das war für die Fühlbarkeit Europas von großer Bedeutung."
Noch viel Arbeit
Bei ihrem zweiten großen Präsidentschaftsthema kann Merkel hingegen nur einen Etappensieg verzeichnen: Zwar erreichte sie ihr Ziel, für einen neuen Anlauf im Nahost-Friedensprozess das Quartett aus EU, USA, den Vereinten Nationen und Russland nach jahrelanger Pause wieder zu beleben. Greifbare Ergebnisse sind nach zwei Quartett-Runden in Washington und Berlin allerdings ausgeblieben. Eine neue Runde soll in der Krisenregion tagen.
Auch beim Thema Bürokratieabbau ist Merkel noch nicht substanziell vorangekommen. Hier scheint ein klarer Reformkurs im Dickicht der Brüsseler Beharrungskräfte ebenso schwierig zu sein wie ein Image-Wandel für die angeschlagene EU. In einer Regierungserklärung kurz vor Übernahme des EU-Vorsitzes hatte Merkel noch an die Euphorie zur Fußball-WM im vergangenen Sommer erinnert: Im ersten Halbjahr 2007 könne Deutschland die Welt auf andere Weise begeistern, sagte sie im mäßig gefüllten Bundestag.
Um die EU näher zu den Bürger zu bringen, hatte die Regierung Ende Januar einen bundesweiten Projekttag organisiert, Kanzlerin Merkel, ihre Minister sowie Ministerpräsidenten und Angeordnete zogen landauf landab durch die Schulen. Zum Jubiläum gab die Regierung ein großes Bürgerfest am Brandenburger Tor, um das Image der Gemeinschaft aufzupolieren -und damit auch die Bilanz der Ratspräsidentin. Das strahlende Frühlingswetter erleichterte die Aufgabe und sorgte bei Gastgebern und Gästen für zusätzlich gute Stimmung.
(von Claudia Kade, reuters)
Quelle: ntv.de