Dossier

Isoliert im arabischen Lager Mit Assad will keiner tauschen

"Wenn Du etwas wirklich willst, dann wird es auch geschehen." Mit diesem hoffnungsvollen Sinnspruch und energisch vorgestrecktem Kinn präsentiert sich der syrische Präsident Baschar al-Assad in diesem heißen Sommer auf der Titelseite einer lokalen Monatszeitschrift. "Ach Gott, wenn 20 Prozent von dem, was so vollmundig angekündigt wird, auch umgesetzt würde, dann wären wir schon zufrieden", seufzt der Buchhändler, als er das Magazin in seinem Laden in der Innenstadt von Damaskus auf einem Ständer platziert. Deutlicher will der Mann mit dem grauen Haarkranz nicht werden.

Denn Syrien ist auch sieben Jahre, nachdem der junge Präsident mit dem fliehenden Kinn zum Präsidenten ausgerufen wurde, ein Polizeistaat, in dem die Wände Ohren haben. Regimekritiker landen gleich für mehrere Jahre im Gefängnis, wenn sie es wagen, die Führungsclique zu kritisieren oder Reformen anzumahnen. "Das politische System ist so unbeweglich wie Beton, nur wirtschaftlich bewegt sich viel", erklärt ein junger Journalist, der es nach fünf Jahren leid ist, immer wieder über das geplante Parteiengesetz und andere Reformvorhaben zu schreiben, die dann doch nicht umgesetzt werden.

Zwar hat inzwischen auch in Damaskus, der traditionellsten unter den arabischen Hauptstädten, eine westliche Caf-Kette ihre erste Filiale eröffnet. Und wer ein Konto bei einer der neuen Privatbanken hat, kann sich nun ohne große Schwierigkeiten Geld aus dem Ausland überweisen lassen. Doch politisch bewegt sich fast nichts. "Wenn der Druck von außen durch die USA und andere nicht wäre, und wenn die Lage in der Region nicht insgesamt so angespannt wäre, dann gäbe es sicher auch auf diesem Gebiet mehr Fortschritte", erklärt ein Regierungsbeamter, der den jungen Assad noch aus der Zeit vor der Machtübernahme kennt.

Baschar al-Assad, der von den Regimegrößen nach dem Tod seines Vaters Hafis al-Assad im Sommer 2000 auf den Schild gehoben worden war, präsentiert sich heute als letzter Verfechter des arabischen Nationalismus. Dabei steht Syrien mit seiner panarabischen Rhetorik und seiner anti-amerikanischen Politik inzwischen im arabischen Lager fast gänzlich isoliert da. Als einzig verlässlicher Partner der säkularen syrischen Regierung ist ausgerechnet das von den Religiösen dominierte Regime in Teheran übrig geblieben, das gemeinsam mit Syrien die schiitische Hisbollah im Libanon unterstützt.

Vor allem ihre Rolle als Unruhestifter im benachbarten Libanon nehmen viele arabische Diplomaten den Syrern übel. Sie werfen Assad vor, er versuche, den Libanon durch seine Unterstützung für die von der Hisbollah angeführte Opposition und durch das Einschleusen sunnitischer Extremisten zu destabilisieren. Ziel dieser Störmanöver sei vor allem, die Aufklärung des Mordes am früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri durch ein internationales Tribunal zu verhindern. Denn bei den Ermittlungen waren syrische Top-Funktionäre, unter anderem Assads mächtiger Schwager Asef Schaukat, ins Visier der ausländischen Ermittler geraten. "Mit Assad will im Moment keiner tauschen, denn er steht vor einer ganz schwierigen Wahl: Liefert er Leute aus seiner eigenen Familie aus, oder riskiert er, zusammen mit ihnen unterzugehen", erklärt ein regimefreundlicher politischer Beobachter in Damaskus.

Ginge es nur darum, die Libanesen ruhig zu stellen, so wäre man in Damaskus nicht sonderlich beunruhigt. Doch mit internationalem Druck, vor allem aus Frankreich und den USA, ist das internationale Tribunal nun beschlossen worden. Und wenn bei diesem Prozess, der aus Sicherheitsgründen nicht im Libanon stattfinden soll, wirklich bewiesen werden sollte, dass das Attentat vom 14. Februar 2005 in Damaskus geplant worden war, dann könnte dies Syrien endgültig zum Außenseiter-Staat in Nahost machen.

Ob dies allerdings für den von Washington herbeigesehnten Umsturz in Damaskus reichen würde, ist nach Einschätzung syrischer Beobachter sehr fraglich. Denn - das hat das für die syrischen Nachbarn abschreckende Beispiel des Iraks gezeigt - ohne eine charismatische Führungspersönlichkeit ist es schwer, ein seit Jahrzehnten relativ unbewegliches arabisches System hinwegzufegen, ohne dass ein blutiges Chaos ausbricht.

Anne-Beatrice Clasmann

Quelle: ntv.de

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