Dossier

Interview mit n-tv.de "Mitschuld des Vatikans"

Die Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson hat den Papst in große Bedrängnis gebracht. "Der Vatikan hätte sich besser informieren müssen", meint Kirchenrechtler Prof. Klaus Lüdicke im Interview mit n-tv.de. "Da hat offensichtlich etwas nicht funktioniert." Der Theologe erklärt, warum der Vatikan kein Druckmittel gegen den Holocaust-Leugner hat und wie die konservative Bruderschaft um Williamson die Aufhebung der Exkommunikation nutzen könnte.

n-tv.de: Der Papst kann nach katholischem Kirchenrecht die Aufhebung der Exkommunikation des Holocaust-Leugner Richard Williamson nur zurücknehmen, wenn eine neue Straftat vorliegt. Ist das mit der Leugnung des Holocausts nicht der Fall?

Klaus Lüdicke: Die Holocaust-Leugnung ist nach Kirchenrecht nicht strafbar, weil sie eine Äußerung ist, die sich auf außerkirchliche Angelegenheiten bezieht.

Und wenn Williamson nun nicht der Aufforderung des Vatikans Folge leistet, und seine Äußerungen zurücknimmt?

Das könnte man dann vielleicht als Akt des Ungehorsams bezeichnen, was nach Canon 1371 Paragraf 2 des katholischen Kirchenrechts strafbar wäre. In dem Fall wäre Williamson mit einer "gerechten Strafe zu bestrafen", wie es dort heißt. Das wäre allerdings zu wenig für eine erneute Exkommunikation – dafür müsste der Vatikan einen Strafprozess durchführen.

Das heißt also, der Vatikan kann keine weiteren Schritte gegen Williamson unternehmen?

Der Vatikan kann versuchen, das theologische Gespräch mit ihm und den Traditionalisten der Pius-Bruderschaft zu suchen, was auch das Ziel der Aufhebung der Exkommunikation war. Allerdings ist diese Tür zur Kommunikation durch das Verhalten von Williamson erst einmal wieder geschlossen. Ich halte die Idee, eine gemeinsame Gesprächsebene zu schaffen, für positiv. Eine Kommunikationssperre verhindert jede Lösung. Allerdings ist der Erfolg eines solchen theologischen Dialogs sehr fraglich, weil die Positionen so verhärtet sind. Die Traditionalisten um Williamson wollen das Zweite Vatikanische Konzil mit all seinen Neuerungen nicht akzeptieren und den Papst zu sich bekehren. Sie wollen nur die Aufhebung der Exkommunikation, um sich gegenüber den eigenen Anhängern stärker legitimieren zu können. Zudem könnten sie dann für weitere Gläubige attraktiv werden, die sich den Traditionalisten zwar verbunden fühlen, durch den Ausschluss aber bislang abgeschreckt wurden.



Sollte es also bei der Aufhebung der Exkommunikation bleiben: Was bedeutet die Rehabilitierung der vier Bischöfe der konservativen Priesterbruderschaft St. Pius X.?

Mit der Exkommunikation hatten sie die Berechtigung verloren, Sakramente zu empfangen, Sakramente zu spenden, Ämter in der Kirche auszuüben. Ihre nicht vom Vatikan genehmigte Weihe zu Bischöfen hat ihnen zudem keine bischöflichen Ämter verschafft. Die Rehabilitierung bedeutet nur die Aufhebung der Strafe, das heißt sie kehren in die Gemeinschaft der Katholiken zurück, dürfen also die Eucharistie sowie andere Sakramente empfangen und am Gottesdienst teilnehmen. Voraussetzung für die Aufhebung der Exkommunikation ist nach Kirchenrecht allerdings, dass ein Bestrafter die Tat wirklich bereut und den Schaden auch wieder gut macht. Die vier Bischöfe haben sie aber weder ihre unerlaubte Weihe bereut, noch etwas dafür getan, den Schaden wieder gut zu machen. Der Papst ist ihnen mit der Rehabilitierung also sehr weit entgegengekommen.

Warum ist der Vatikan zu einem so großen Entgegenkommen gegenüber den Traditionalisten bereit?

Die Bewegung hat immerhin rund 600.000 Anhänger, die durch den Ausschluss von der Kirche getrennt sind. Das ist schon ein guter Grund für den Vatikan zu versuchen, die Gläubigen zurück in die Kirche zu holen. Zudem gibt sich der Vatikan wohl eine Mitschuld an der Entstehung der Bewegung, weil am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils die alte Liturgie verboten wurde statt sie neben der modernen Form des Gottesdienstes weiter bestehen zu lassen. Damit haben sie die Anhänger der alten Gottesdienstordnung verärgert.

Welchen Fehler hat der Vatikan Ihrer Meinung nach in der Auseinandersetzung mit Williamson gemacht?

Der Vatikan hätte sich besser informieren müssen. Das Staatssekretariat ist normalerweise für die Außenbeziehungen zuständig und hat dabei die Medien, die Staaten, die anderen Religionsgemeinschaften im Blick. Da hat offensichtlich etwas nicht funktioniert. Man hätte vor der Aufhebung der Exkommunikation mal im Internet überprüfen sollen, wer da eigentlich rehabilitiert werden sollte. Williamson gibt ja schon seit Längerem immer wieder antijudaistische Äußerungen ab. Da hätte man mal ein bisschen recherchieren müssen.

Gibt es eine Möglichkeit, wie der Papst sein beschädigtes Ansehen wieder herstellen könnte?

Ich wüsste nicht, was er sinnvollerweise tun könnte. Die katholische Kirche ist schließlich keine Institution wie eine politische Verwaltung, wo sich der Chef zu verantworten hat und zurücktreten muss. Der Vatikan muss in Zukunft einfach besser aufpassen anstatt so blauäugig zu handeln.

Mit Klaus Lüdicke sprach Till Schwarze

Quelle: ntv.de

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