Nach pompösem Start Mittelmeerunion wankt
02.11.2008, 11:39 UhrWas ist eigentlich aus der Mittelmeerunion geworden? Da hatte es doch im Sommer eine pompöse Polit-Show in Paris gegeben. Mehr als 40 Staats- und Regierungschefs waren der Einladung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gefolgt. Die Reden waren von Pathos geprägt, selbst das Buffet bei der Gartenparty im lyse- Palast bot mediterrane Küche. Und Sarkozy scheute nicht davor zurück, den feierlichen Auftakt der "Union für das Mittelmeer" mit der Gründung der Europäischen Union zu vergleichen. Gut drei Monate später wird noch immer über grundlegende Dinge wie den Sitz, die Verteilung von Posten und die Teilnehmer gestritten.
Wenn die Außenminister der EU und der Mittelmeeranrainer am Montag und Dienstag in Marseille zusammentreffen, fehlt es ihnen nicht an Themen. Die Wunschliste der Europäer an den nächsten US-Präsidenten will geschrieben werden, die wieder aufgeflammte Krise im Ostkongo drängt sich auf, die Finanzkrise sowieso - doch in erster Linie soll es darum gehen, die Mittelmeerunion halbwegs funktionsfähig zu machen.
Streit über den Sitz der Union
Von Anfang an hatte es Streit über den Sitz der Union gegeben, der 42 Staaten sowie die Palästinenserbehörde angehören. Tunis, La Valette (Malta), Marseille, Brüssel und Barcelona waren als Favoriten im Gespräch. Barcelona kann darauf pochen, so etwas wie der natürliche Ankerpunkt zu sein. Schließlich lautet der offizielle Titel "Barcelona-Prozess: Union für das Mittelmeer". Die tunesische Presse berichtete in der vergangenen Woche, dass Tunis kein Interesse mehr am Sitz der Mittelmeerunion habe. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass im Gegenzug ein Tunesier den Posten des Generalsekretärs bekommen soll.
Ernsthafter als der Postenschacher ist die Frage nach der Beteiligung der Arabischen Liga an den Treffen der Mittelmeerunion. Sarkozy hatte dafür plädiert, die Politik, also konkret den Nahostkonflikt, zunächst herauszuhalten und die Zusammenarbeit bei konkreten Projekten voranzutreiben. Nun blockieren politische Fragen jedoch alle weiteren Projekte. Eine erste Wasser-Konferenz der Umweltminister in Jordanien musste bereits abgesagt werden, weil Israel die Vertretung der Arabischen Liga bei den Expertentreffen nicht akzeptieren wollte.
Merkel war genervt
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätte Grund, sich ins Fäustchen zu lachen. Sie war anfangs reichlich genervt von Sarkozys Vorhaben, die Mittelmeerunion im Alleingang zu planen. Sie fürchtete eine Parallelstruktur zur EU, die EU-Gelder beanspruchen würde, ohne dass die Nicht-Anrainer mitreden könnten. Anstatt ihn öffentlich zu bremsen und zu desavouieren, hat sie das Projekt jedoch mit diplomatischem Geschick eingedampft und mit den bestehenden Strukturen der Europäischen Union kompatibel gemacht. Böse Zungen sagen, Sarkozy habe auf seinem prächtigen Gipfeltreffen lediglich die offizielle Umbenennung des Barcelona-Prozesses gefeiert.
Das erste Außenministertreffen seit der Gründungsveranstaltung soll zumindest mit einer gemeinsamen Erklärung enden, hieß es von französischer Seite. Allerdings seien zahlreiche Fragen noch offen, man arbeite an einem Kompromiss, formulierte ein Sprecher des Außenministeriums vorsichtig. "Von nun an werden wir Frieden im Mittelmeerraum schaffen, so wie wir zuvor Frieden in Europa geschaffen haben", hatte Sarkozy am 13. Juli erklärt. Eine Einigung auf den Sitz der Institution, die den Frieden befördern soll, wäre zumindest ein erster Schritt in diese Richtung.
Quelle: ntv.de, Ulrike Koltermann, dpa