Die Welt sieht weg Mogadischu brennt
25.04.2007, 13:42 UhrWas sich derzeit in Somalia abspielt, ist wohl das schlimmste Blutvergießen dort seit mehr als einem Jahrzehnt. Nur interessiert sich kaum jemand dafür. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Welt ist müde, sich mit einem weiteren Konflikt auf dem afrikanischen Kontinent zu befassen, der davon schon viel zu viel zu bieten hat. Und: Die somalische Hauptstadt Mogadischu ist zu gefährlich für westliche Journalisten, so dass sich diese für die Toten und Flüchtlinge in der Stadt gar nicht erst interessieren. "In Mogadischu ereignet sich eine massive Tragödie, doch was die Stille in der Welt angeht, könnte man denken, es ist Weihnachten", fasst der Vorsitzende einer politischen Denkfabrik in der somalischen Hauptstadt zusammen.
Die Somalier selbst haben ihren Stellenwert auf der internationalen Tagesordnung längst erkannt: "Niemand interessiert sich für Somalia", sagt der 29-jährige Abdirahman Ali. Selbst wenn die Totenzahl in die Millionen ginge, würde sich daran nichts ändern, fügt der zweifache Familienvater hinzu, der als Wachmann in der Hauptstadt arbeitet. Auch der 30 Jahre alte Busfahrer Liban Ibrahim aus Mogadischu hat keine Illusionen: "Die Vereinten Nationen sind zu beschäftigt damit, Erklärungen zu veröffentlichen, während täglich unschuldige Zivilisten sterben."
Als die somalischen Truppen zum Jahreswechsel mit Hilfe Äthiopiens die Islamisten und deren Verbündete aus Mogadischu vertrieben hatten, hofften viele auf eine Besserung der Lage. Doch weit gefehlt: Die Gefechte flammten neu auf. Zuletzt sprachen die Behörden von fast 1.300 Toten in Folge der Kämpfe. Hilfsorganisationen warnten, mehr als 320.000 Menschen seien auf der Flucht. UN und Arabische Liga riefen zwar zur Zurückhaltung auf. Beobachter vermissen aber den Grad an Besorgnis, den Krisen dieser Größenordnung normalerweise hervorrufen.
"In Washington sind die Leute natürlich zu sehr mit dem Irak und ihren eigenen Wahlen beschäftigt", sagt ein in Nairobi ansässiger Diplomat, der namentlich nicht genannt werden möchte. Da könne man sich nicht auch noch für Somalier interessieren, die sich gegenseitig umbrächten. Und wenn sich die US-Regierung doch mal mit Afrika befasse, dann gehe es um die sudanesische Krisenregion Darfur, fügt er hinzu.
Die Arbeitsbedingungen für die Journalisten vor Ort kommen zudem ganz gelegen, um Mogadischu aus dem Fokus zu nehmen. Die Nachrichten aus dem Land stammen meist von Einwohnern, die die Nachrichtenagenturen mit Informationen versorgen. Nur vereinzelt sind Kameraleute zu finden. Dabei böten sich überall schockierende Bilder: Leichen auf den Straßen, zerstörte Häuser, verwundete Babys, blutverschmierte Krankenhauskorridore. "Die Medien der Welt sind weit weg", sagt Ali Iman Sharmarke, Miteigentümer des somalischen Senders HornAfrik, der Nachrichtenagentur Reuters. "Das ist ganz bestimmt Teil des Problems."
Andere machen noch auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Die Unterstützung des Westens für die somalische Übergangsregierung. Er machte sich für eine Regierung stark, die keine breite Legitimierung hatte und nicht in der Lage war, die Islamisten in den Versöhnungsprozess einzubinden, wie der US-Experte Michael Weinstein von der Universität Purdue sagte. Das bringe den Westen nun in Verlegenheit. Er könne aber nicht einfach eine Kehrtwende machen. "Also haben sie natürlich hundertprozentig kein Interesse daran, die Aufmerksamkeit der Welt auf Somalia zu lenken."
(Andrew Cawthorne, Reuters)
Quelle: ntv.de