Dossier

Palästinenser in Ägypten Mubarak sperrt Suez-Kanal

Wie die Heuschrecken fallen die Bewohner des Gazastreifens in den ägyptischen Geschäften von Rafah und Al-Arisch ein. Frauen stoßen Freudentriller aus. Es herrscht Hochstimmung. Trotz des allgemeinen Chaos wird nicht gestohlen oder geplündert. Die Palästinenser kaufen ein, sie zahlen in den kleinen Läden für alles, was sich wegtragen lässt.

Schon nach wenigen Stunden stehen die ägyptischen Lebensmittelhändler und Apotheker vor leeren Regalen. "Ich will heute noch zurück nach Hause", ruft Um Saleh, eine Hausfrau aus Chan Junis atemlos, während sie ihre Einkäufe aus einem Geschäft in Al-Arisch schleppt. "Ich bin zum ersten Mal auf dem Sinai, wenn ich genügend Lebensmittel eingekauft habe, dann geht es wieder zurück über die Grenze", sagt der palästinensische Student Marwan Chaled.

Von Israel fängt sich der ägyptische Präsident Husni Mubarak eine Rüge ein, weil er die Sicherheitskräfte in dem ägyptischen Grenzort Rafah nicht angewiesen hat, die Palästinenser mit Gewalt in den Gazastreifen zurückzudrängen. Doch Mubarak hatte aus Sicht ägyptischer Beobachter kaum eine andere Wahl als das Ventil des Druckkochtopfes Gaza ein wenig zu öffnen. Denn in Ägypten war der Ruf nach einer Öffnung der Grenze in den vergangenen Tagen immer lauter geworden, nachdem Israel den Gazastreifen auf der anderen Seite abgeriegelt hatte. Die ägyptische Muslimbruderschaft und andere politische Gegner Mubaraks riefen zu Protesten auf.

Proteste und Festnahmen in Kairo

Die Polizei nahm in Kairo und in mehreren Provinzen im Norden des Landes Hunderte von Regimekritikern vorübergehend fest, die Kundgebungen aus Solidarität mit den Palästinensern geplant hatten. Hätte Mubarak den Befehl gegeben, auf die Palästinenser zu schießen, die durch die Löcher in der Grenzanlage nach Ägypten wollten, dann wären diese Proteste möglicherweise eskaliert. Er wäre von vielen Arabern, die mit den Palästinensern sympathisieren, als "Freund Israels" und "Verräter" gebrandmarkt worden. Von Tunis bis Sanaa waren die Menschen in den vergangenen Tagen auf die Straße gegangen, um ihrer Frustration über die Lage im Gazastreifen Luft zu machen.

Dabei ist Mubarak überhaupt nicht daran interessiert, der radikal-islamischen Hamas einen Gefallen zu tun. Im Juni 2007 hatte er den Grenzübergang Rafah geschlossen, nachdem die Hamas im Gazastreifen gewaltsam die Macht übernommen hatte. Denn einen palästinensischen Mini-Staat, der von einer mit den Muslimbrüdern verbündeten Partei regiert wird, will er langfristig nicht zum Nachbarn haben. Und auch dass Rafah für die Palästinenser von Gaza das einzige Tor zur Welt ist, will die ägyptische Führung nicht. Nach dem ersten Ansturm ließ sie die Al-Salam-Brücke, die über den Suez-Kanal führt, sperren. Damit soll verhindert werden, dass die Palästinenser den Sinai verlassen und in andere Provinzen des Landes reisen.

Von Anne-Beatrice Clasmann und Hatem al-Boloq, dpa

Quelle: ntv.de

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