Ein Porträt "Münte" schmeißt hin
13.11.2007, 15:44 UhrEs ist noch nicht einmal zwei Monate her, da kündigte Franz Müntefering an, "mindestens" bis zum 70. Lebensjahr als Politiker weiterzumachen. Wenige Wochen später bekannte der 67-Jährige: "Ich bin gerne Vizekanzler und Minister." Seit Dienstagmittag sind seine Worte nur noch Schall und Rauch: Der Sozialdemokrat erklärte seinen Rücktritt von beiden Ämtern. Damit geht die Karriere eines der profiliertesten Bundespolitiker und zugleich eines Garanten der großen Koalition zu Ende.
"Münte", wie ihn nicht nur Parteifreunde nennen, gab familiäre Gründe für seinen Entschluss an. Seine Ehefrau leidet an Krebs. Allerdings war es in den vergangenen Wochen in der Partei einsamer um den früheren Vorsitzenden geworden. Im Ringen um Abstriche an der Reformagenda 2010 warnte er die SPD vor einen Rückfall in die Zeiten sozialistischer Ausgabenpolitik. Als Fall in den Rücken musste er die Aussage von Ex-Kanzler Gerhard Schröder empfunden haben, die Agenda seien nicht die "zehn Gebote, und niemand, der daran mitgearbeitet hat, sollte sich als Moses begreifen".
Schlagzeilen auch im Ausland machte Müntefering zwar mit seinem Wettern gegen einige Finanzinvestoren, die als Heuschrecken bezeichnete. Doch es war Müntefering, der die Reformen gemeinsam mit Schröder gegen massive Proteste der Gewerkschaften durchgeboxt hatte. Als er sich gegen die Pläne von SPD-Chef Kurt Beck stemmte, das Arbeitslosengeld I für Ältere länger auszuzahlen, blieb er allein auf weiter Flur. Den Machtkampf gewann Beck, dem die Basis auf dem Parteitag Mitte Oktober folgte.
Für seine Haltung, die Niederlage zu akzeptieren, wurde Müntefering von den Delegierten gefeiert. Er rief aus: "Liebe Genossen: Es ist noch was da, ich bin noch nicht ausgetrocknet." Auch dafür gab es viel Beifall. Trotzdem wurde gefragt, wo die Schmerzgrenze für Müntefering liegen könnte. In der Nacht zum Dienstag einigte sich die Koalition auf die längere Auszahlung des Arbeitslosengeldes I. Der Post-Mindestlohn, für den sich der Arbeitsminister starkmachte, kommt aber weiterhin nicht - auch das könnte als Niederlage für "Münte" gewertet werden.
Ruf des Parteisoldaten
Selbst im Abgang festigte der scheidende Vizekanzler seinen Ruf als Parteisoldat. Noch am Dienstagmorgen vertrat er in einer Live-Schaltung im Deutschlandfunk die Position seiner SPD. Müntefering wetterte gegen die Union, die den Mindestlohn für Briefträger blockiert habe.
Dabei hatte der gebürtige Sauerländer seiner Partei schon eine Demütigung verziehen. Müntefering übernahm im März 2004 den SPD-Vorsitz von Schröder. Eineinhalb Jahre danach trat Müntefering zurück, weil er seinen Vertrauten Kajo Wasserhövel nicht als SPD-Generalsekretär durchdrücken konnte.
Müntefering gilt als einer der Erfahrensten in der ersten Reihe der Bundespolitik. Von 1995 bis 1998 war er Bundesgeschäftsführer der SPD. In dieser Eigenschaft organisierte er Wahlkämpfe, die zum Machtwechsel im Bund führten. Unter Schröder war er Fraktionschef. Aufs Glatteis ließ er sich nicht führen. Ob er sich im Urlaub eher von Merkel oder seinen Parteifreunden erholt habe, wollte jüngst ein Reporter wissen. "Von der Arbeit insgesamt", wich der 67-Jährige klug aus. Einer seiner Vertrauten sagt: "Es wird nicht so lange dauern, da wird die SPD wissen, was sie an ihm hatte."
Quelle: ntv.de