Aktionsplan zum Greifen nah NATO darf wachsen
03.04.2008, 18:09 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab sich gelassen. "Alles ist in Ordnung", versicherte sie nach einem NATO-Gipfelerlebnis der besonderen Art. Zuvor hatten die Regierungschefs fast zwei Stunden lang gemeinsam mit den Außenministern um einzelne Wörter und Formulierungen in einer Erklärung über die Erweiterung des Nordatlantikpakts gerungen. Normalerweise sind solche Erklärungen bei NATO-Treffen schon fertig, bevor die Politiker auch nur anfangen, miteinander zu reden. Doch ohne Kompromissformeln wäre der Riss, der Osten und Westen der NATO vor allem in der Frage des Beitritts Georgiens und der Ukraine spaltet, allzu offenkundig geworden. Merkel: "Wir haben uns sehr schnell geeinigt, dass wir einen gemeinsamen Weg finden müssen."
US-Präsident George W. Bush, der sich zum Fürsprecher des Wunsches Georgiens und der Ukraine nach Aufnahme in einen "Aktionsplan für die Mitgliedschaft" (MAP) machte, war am Mittwochabend bei den mehrheitlich ablehnenden Staaten des alten West-Europa zunächst gescheitert. Deutschland und Frankreich waren besonders deutlich dagegen. Sie haben Angst vor den ungelösten inneren Konflikten Georgiens und halten einen Beitritt der Ukraine für unmöglich, solange dort eine Mehrheit der Menschen die NATO ablehnt. Aber am Morgen, als es ums Kleingedruckte in der Gipfelerklärung ging, rang Bush den Verbündeten wichtige Zugeständnisse ab. "Das ist ein wahrhaft historischer Augenblick für das Verhältnis zwischen Georgien und der NATO, für die Zukunft unseres Landes", jubelte plötzlich der georgische Außenminister David Bakradse. Für ihn sah die Welt am Nachmittag ganz anders aus als noch am Mittwochabend.
"Wir sind übereingekommen"
Im Prunk- und Protz-Gemäuer des einstigen "Volkspalasts" des rumänischen Ex-Diktators Nicolae Ceausescu hatte Bush den Verbündeten zwar zugestanden, dass diese die Georgier und Ukrainer noch nicht in den "Aktionsplan" aufnehmen. Doch hatte er ihnen den wichtigen Satz "Wir sind übereingekommen, dass diese beiden Länder Mitglieder der NATO werden" entlockt.
Schon im Dezember sollen die Außenminister prüfen, ob es noch Hindernisse für die Aufnahme in den MAP gibt. Das könnten sie dann auch gleich selbst entscheiden. Trotz der Klarheit der Formulierung beharrten die Gegner einer solchen MAP-Entscheidung erschrocken darauf, dies begründe "keinen Automatismus": Gar so schnell werde es nicht gehen, viele Fragen seien zu klären und Einstimmigkeit sowieso geboten.
Kompromiss trotz Angstschweiß
NATO-Diplomaten waren zunächst unschlüssig, wo im Bündnisstreit um die NATO-Mitgliedschaft der beiden Sowjetrepubliken die Sieger und Verlierer zu finden waren. Bush hatte sich auf die offene Feldschlacht eingelassen, obwohl er seit mehr als einem Jahr wusste, dass eine Reihe von Staaten - darunter Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten - den "Aktionsplan" keinesfalls wollten. Dieser nämlich führe trotz aller gegenseitigen Beteuerungen früher oder später "automatisch" zum Beitritt.
Vor allem die Vorstellung, dass Georgien dann im Konflikt mit Russland um Abchasien und Süd-Ossetien eines Tages Militärhilfe von der NATO einfordern könnte, treibt den Gegnern kalten Angstschweiß auf die Stirn. Zudem fragen sich nicht nur die Deutschen hinter vorgehaltener Hand, ob es nach der Anerkennung des Kosovos nicht sinnvoll sei, zunächst einmal in halbwegs guter Atmosphäre nach einem Auskommen mit dem neuen Präsidenten Dmitri Medwedew zu suchen.
Griechenland drohte bei diesem ganz besonderen NATO-Gipfel mit einem Veto und beharrte darauf, dass Mazedonien nur Mitglied werden kann, wenn es den Streit mit Athen um den Namen des eigenen Staates beendet. Mazedonien musste draußenbleiben, als zwecks feierlicher Begrüßung bequeme Sessel für die beiden anderen Neu-Mitglieder ins große Rund im Konferenzraum gerückt wurden. Noch während die anderen feierten, reisten die Mazedonier tief verletzt ab. Und die trotzigen Worte von Außenminister Antonio Milososki ließen vermuten, dass auch in Zukunft bei der NATO nicht alles in Ordnung sein wird: "Unser Land ist die Republik Mazedonien, und das wird es auch bleiben."
Von Dieter Ebeling, dpa
Quelle: ntv.de