Dossier

Steinmeier als Lokalpolitiker Nahost, USA, Kirchmöser-Plaue

Heute noch das Ringen um Stabilität in Afghanistan, Nahost und Kosovo, morgen der Kampf um einen Autobahnzubringer im Havelland oder für mehr Bootsanleger am Plauer See? Auf Außenminister Frank Walter Steinmeier kommen ungewohnte Herausforderungen zu: Seit dem 6. Juli hat der 51-Jährige eine neue politische Heimat im SPD-Ortsverein Kirchmöser-Plaue der Stadt Brandenburg an der Havel gefunden. Als 19. Mitglied stieß der populäre "Reserve-Kanzlerkandidat" hinzu.

An diesem Juli-Abend passt der Ortsverein unter einen Sonnenschirm im "Caf am Stern" im Ortsteil Plaue. Die Sozialdemokraten haben sich - ohne ihren prominenten Neuzugang - zur monatlichen Sitzung versammelt. Sieben Mitglieder arbeiten bei Pils und Alsterwasser in eineinhalb Stunden die Tagesordnung ab: Es gilt, das Sommerfest am 24. August zu organisieren, im Herbst etwas gemeinsam mit der "AG 60 plus" zu machen oder auch mehr Jugendliche für die "Sozis" zu gewinnen, denn der Ortsverein ist überaltert.

Dem bisher eher passiven SPD-Mitglied Steinmeier sollen mehr Landesverbände die Türen weit geöffnet haben, damit er 2009 bei ihnen sein erstes Bundestagsmandat erlangt. Für Brandenburg hat ihn der SPD-Landesvorsitzende, Ministerpräsident Matthias Platzeck, angeworben.

Gegen alle Widerstände

Er hält große Stücke auf den Mann mit dem weißen Haarschopf und nennt ihn den "besten Außenminister seit Willy Brandt". Der gebürtige Nordrhein-Westfale Steinmeier bedankte sich jüngst auf dem Sommerfest der märkischen SPD in Potsdam artig für das Lob: "Unser Landesverband ist der erfolgreichste in den neuen Ländern." Tatsächlich regiert die Partei seit fast 17 Jahren das Land zwischen Elbe und Oder, teils allein, teils in Koalitionen. Umgekehrt hat sich der kurzzeitige SPD- Bundesvorsitzende Platzeck bei Steinmeier großen Respekt erworben, als er im Landtagswahlkampf 2004 die vom damaligen Kanzleramtschef maßgeblich erarbeitete "Agenda 2010" erfolgreich gegen alle Widerstände verteidigte.

Entschieden hat sich Steinmeier schließlich nach reiflicher Überlegung für Brandenburgs Wahlkreis 060 - die SPD hat ihn seit 1990 immer direkt gewonnen, und die Bundestagsabgeordnete Margrit Spielmann will sich zurückziehen. Platzeck möchte, dass er bei der Bundestagswahl 2009 als Spitzenkandidat der märkischen Sozialdemokraten antritt, während der Ministerpräsident selbst wieder für die Landtagswahl ins Rennen geht. Seinen künftigen Sprengel mit gut 200.000 Wahlberechtigten will Steinmeier in der dritten Augustwoche bereisen.

Gelassen unterm Sonnenschirm

Unter dem Plauer Sonnenschirm sieht man den Neuzugang gelassen. Als der Vereinsvorsitzende Frank Gerstmann anmerkt, dass zum Sommerfest wohl auch Steinmeier kommen werde, ruft sein Mitstreiter Klaus Dörfert dazwischen: "Ist doch egal, lass' doch mal den Personenkult!" Die Runde freut sich zwar über die Verstärkung, aber fest steht für ihre Mitglieder, "dass wir unser Ding so weitermachen", wie Andreas Wehnert sagt. Und Dörfert ergänzt: "Wir werden lokalpolitisch bleiben."

Das heißt, den traditionellen Industriestandort Kirchmöser mit rund 5000 Einwohnern und dem Schwerpunkt Gleisbau- und Bahntechnik endlich an die Autobahn A 2 Berlin - Hannover anzubinden; den leer stehenden Krankenhaus-Bau sinnvoll zu nutzen; das einstige Klubhaus der Eisenbahner vor dem Verfall zu bewahren. Und der andere Teil des Ortsvereins-Gebiets, das benachbarte Fischerstädtchen Plaue, ließe sich noch stärker für den Tourismus erschließen.

Kirchmöser und Plaue gehören seit 1952 zu Brandenburg an der Havel, der mit knapp 74.000 Einwohnern drittgrößten Stadt der Mark. Viel werde davon abhängen, inwieweit das neue Ortsvereinsmitglied Steinmeier bereit ist, "Fuß zu fassen", meint die Ortsbürgermeisterin des rund 2700 Einwohner zählenden Plaue, Lieselotte Martius. Sie wäre "froh und glücklich", wenn jemand über Kontakte verfügt, um etwas "von oben" anzuschieben. Immerhin scheine der Neue ein "pragmatischer Mensch zu sein, der zuhören kann". "Dann müssen wir einfach sehen, wie er sich integriert."

Quelle: ntv.de

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