Dossier

Seuche zurück in Europa Neue Fälle von Vogelgrippe

Von Martina Rathke und Marc-Oliver von Riegen

Die Ruhe ist trügerisch. Ein Jahr nach dem Ausbruch der Vogelgrippe gibt es zwar keine Anzeichen für einen neuen Alarm in Deutschland. Doch die Tierseuche ist zurück in Europa. Neue Fälle in Großbritannien und Ungarn haben für Unruhe gesorgt. "Wir müssen sehr aufmerksam und vorsichtig vorgehen", sagt Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU). Und EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou betont: "Wir sollten nicht glauben, dass wir es geschafft hätten, die Krankheit zu tilgen."

Vor einem Jahr, am 14. Februar 2006, war es Gewissheit: Das auch für den Menschen gefährliche Virus H5N1 hatte Deutschland erreicht. Bereits sechs Tage zuvor hatten Spaziergänger auf der Insel Rügen zwei tote Schwäne entdeckt und den zuständigen Veterinärbehörden gemeldet. Auf der als Vogelzug-Drehscheibe geltenden Insel Rügen nichts Ungewöhnliches. Doch nach den ersten Untersuchungen schlug das Bundesinstitut für Tiergesundheit auf der Insel Riems Alarm -und der Kampf gegen die Vogelgrippe begann.

Was dann kam, war notwendig und mutete zuweilen bizarr an: In den folgenden Wochen nahmen bis zu 800 Helfer pro Tag den Kampf gegen das H5N1-Virus auf. Sie sammelten allein auf der Insel 8.000 Kadaver ein. Die Bundeswehr war mit hunderten Soldaten im Einsatz, tausende Vögel wurden gekeult. "Das ist schleppend und unkoordiniert angelaufen", sagt Agrarstaatssekretär Gert Lindemann im Rückblick. Zwölf Monate danach ist Deutschland aus seiner Sicht gut gerüstet. Es gebe eine Reihe von Instrumenten, um mit der Seuche fertig zu werden. "Ich bin guter Hoffnung, wenn es wieder losgehen sollte, dass wir es auf wenige Ausbrüche beschränken können."

Dies glaubt auch Rügens Landrätin Kerstin Kassner. Für ihr verspätetes Handeln war die Linkspartei-Politikerin damals in die Kritik geraten. Nun sieht sie Rügens Katastrophenstab für den Ernstfall gewappnet: "Wir stehen Standby." Rund 50 freiwillige und gegen Grippe geimpfte Helfer wurden geschult und stehen für das Einsammeln toter Tiere bereit, berichtet Rügens Amtstierarzt Jörg Heusler. Allein im Januar 2007 fanden sie 87 tote Schwäne. Bundesweit wurden in den vergangenen Wochen rund 1.000 tote Wildvögel registriert - allerdings ohne H5N1-Virus.

Doch die Gefahr könnte schneller zurückkehren als gedacht: "Der Vogelzug hat begonnen. Die ersten Kiebitze und Nonnengänse aus Nordfrankreich und Großbritannien sind auf Rügen eingetroffen", sagt Ingolf Stodian, Experte vom Nationalparkamt Vorpommersche Boddenlandschaft. Im Bundesinstitut für Tiergesundheit wird das Vogelgrippe-Risiko nach wie vor als hoch eingestuft.

Vor diesem Hintergrund rückt auch eine Verlängerung der Stallpflicht für Geflügel wieder in den Blickpunkt. An diesem Freitag entscheiden die Länder darüber, ob das Federvieh noch bis Oktober grundsätzlich im Stall bleiben muss. Eine Regelung, für die die Länder bereits großflächig Ausnahmen erlassen haben. Nur in risikoreichen Gebieten wie an Seen und in Regionen mit einer großen Zahl an Geflügel müssen die Tiere dauerhaft im Stall bleiben. Während die Geflügelwirtschaft und das Land Niedersachsen eine obligatorische Stallpflicht verlangen, hält die Bundesregierung dies nicht für notwendig.

Die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Bärbel Höhn dringt wie der Bauernverband auf Impfen statt Keulen. "Vor einem Jahr haben auf Rügen Schlendrian und mangelnde Vorbereitung zur Verbreitung der Vogelgrippe beigetragen. Das darf sich nicht wiederholen." Deshalb müsse das Geflügel wie bei Tests in Frankreich und den Niederlanden geimpft werden. Auf der Geflügelfarm in Großbritannien, auf der die Vogelgrippe vor wenigen Tagen ausgebrochen war, mussten rund 160.000 Truthähne innerhalb von 48 Stunden getötet werden.

Quelle: ntv.de

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