"Abscheulichen Behandlungsmethoden" Neue Guantanamo-Enthüllungen
05.03.2006, 16:48 UhrWas sich hinter dem Stacheldraht im Gefangenenlager Guantnamo abspielt, versucht das US-Militär seit Jahren geheim zu halten. Kein Wunder, sagen Anwälte, die die Zustände dort als skandalös anprangern. Sie bringen immer mehr erschreckende Details ans Licht. Auch US-Richter betrachten die Regierungsabsicht, die Gefangenen in einem rechtsfreien Raum ohne öffentliche Aufsicht weiter festzuhalten, immer argwöhnischer.
In Washington zeigte sich eine Richterin entsetzt über Methoden zur Zwangsernährung. In New York ordnete ein Richter die Veröffentlichung von 5.000 Seiten mit Vernehmungsprotokollen an, in denen die Gefangenen erstmals auch mit Namen genannt wurden.
Von "abscheulichen Behandlungsmethoden" sprach Richterin Gladys Kessler vergangene Woche, als Anwälte ihr die Zwangsernährung von Mohamed Bawasir schilderten. Danach war der Mann im Januar zwei Stunden in einem Stuhl festgeschnallt worden. Ein Arzt führte ihm einen besonders dicken Schlauch durch die Nase in den Magen und pumpte ihn voll. Bawasir habe nicht zur Toilette gehen können und musste in die Hosen machen, sagte sein Anwalt Richar Murphy.
"Kein Recht auf Beschwerde"
Das verstoße, falls erwiesen, gegen internationale Anti-Folter-Verträge, sagte Kessler, und versprach weitere Ermittlungen. Die Regierungsanwälte gingen auf die Vorwürfe gar nicht ein. Sie argumentierten, Bawasir habe kein Recht, sich vor US-Gerichten über seine Behandlung zu beschweren.
Als "verabscheuungswürdige Folter ", beschrieb der juristische Direktor des Zentrums für Verfassungsrechte in New York, Bill Goodman, die Behandlung von Mohamed al Katani in Guantnamo, im National Public Radio. Katani hatte vor den Terroranschlägen 2001 vergeblich versucht, in Florida einzureisen und wird als 20. Entführer verdächtigt. Die Zeitschrift "Time" veröffentlichte auf ihrer Webseite ein geheimes Militär-Logbuch über den "Gefangenen 063", das ihr nach eigenen Angaben zugespielt worden war. Es dokumentiert die Tortur des Mannes über fast zwei Monate.
10.00 Uhr: Gefangener macht in die Hose
Katani wurde rund um die Uhr verhört, mit lauter Musik beschallt, durfte nur selten und unter grellem Licht schlafen und wurde gedemütigt und beleidigt. 25. November 2002, 10.00 Uhr: "Gefangener macht in die Hose", steht darin, nachdem ihm der Gang zur Toilette verweigert worden war. 30. November, 08.30 Uhr: "Gefangener muss Schild tragen mit der Aufschrift: Ich komme in die Hölle, weil ich voller Hass bin". 20. Dezember, 00.01 Uhr: "Gefangenem wird Hefter mit Bildern von Modells um den Hals gehängt." Bill Goodman: "Es ist völlig klar, dass alle unter diesen Umständen erpressten Angaben völlig wertlos sind."
Die USA sehen in den Gefangenen Terroristen. Weil gegen die meisten kaum Beweismaterial vorliegt, sollen sie unbegrenzt interniert werden. 490 Männer sind noch in Guantnamo, Dutzende wurden in ihre Heimatländer abgeschoben. Sie durften sich einmal vor so genannten Militärkommissionen äußern. Wie es dort zuging, geht aus den jetzt veröffentlichten Vernehmungsprotokollen hervor.
"Das wissen wir auch nicht"
Der Vorwurf gegen Oibek aus Usbekistan lautete etwa: "Gefangener unterstützte Taliban". "Wo sind die Beweise für die Behauptungen?", fragte er. "Das wissen wir auch nicht, vieles unterliegt der Geheimhaltung", erwiderte die Vorsitzende der Kommission. - "Sie bestimmen, ob ich feindlicher Kämpfer bin oder sonst feindlich gesinnt. Gibt es keine Kategorie unschuldig?", fragte ein anderer. "Wir sind objektiv und bestimmen, ob sie korrekt als feindlicher Kämpfer eingestuft sind", bekam er zur Antwort.
Die US-Regierung hat sich bislang allen Forderungen widersetzt, das Lager zu schließen. Seit der oberste US-Gerichtshof den Gefangenen vor knapp zwei Jahren gewisse Verteidigungsrechte einräumte, werden keine Gefangenen mehr nach Kuba gebracht. Sie werden nun in noch obskurere Geheimgefängnisse, etwa auf dem US-Stützpunkt Bagram in Afghanistan, gebracht.
(Christiane Oelrich, dpa)
Quelle: ntv.de