Blick nach Osten Neue Partner braucht die EU
06.05.2009, 09:03 UhrWenn Russlands Außenminister Sergej Lawrow die Wörter "Östliche Partnerschaft" hört, blickt er stets ganz besonders ernst drein. Diese Partnerschaft wollen die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten am 7. Mai in Prag feierlich gründen - allen Bedenken Moskaus zum Trotz. "Ich muss sagen, dass wir über einige der Kommentare besorgt sind, die wir aus der EU zu dieser Initiative gehört haben", orakelte Lawrow vor wenigen Tagen in Luxemburg. Zuvor hatte er die EU vor dem Versuch gewarnt, nach neuen "Einflusszonen" in der einstigen Sowjetunion zu streben.
Mitte vergangenen Jahres hatte sich die EU auf Drängen des umtriebigen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy mit großem Pomp den Nachbarn rund ums Mittelmeer zugewandt. Unmittelbar danach fiel die Mittelmeerunion unter den beiden Kopräsidenten Sarkozy und Husni Mubarak (Ägypten) in politisches Koma. Die "Östliche Partnerschaft" ist hingegen betont bescheiden und uneitel angelegt: Kein Sekretariat, keine Kopräsidenten, keine großen Ankündigungen. Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, die Ukraine und Weißrussland - sechs frühere Sowjetrepubliken - sollen für mehr Demokratie mit mehr Annäherung an die EU belohnt werden. Mehr Handel, mehr gemeinsame Programme, mehr Reise- und Arbeitsmöglichkeiten, mehr Geld aus einem bis 2013 mit 600 Millionen Euro gefüllten Topf.
Hoffnung auf mehr Stabilität
Die EU will vor allem mehr politische Stabilität in der östlichen Nachbarschaft, nicht zuletzt weil diese für die Versorgung der EU-Staaten mit Gas und Öl von größter Bedeutung ist. "Das Problem ist, dass immer auch die Beziehungen zu Russland mitspielen", sagt Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Und fügt hinzu: "Von den sechs Ländern sind mindestens vier in der Krise." Armenien und Aserbaidschan schießen zwar derzeit nicht aufeinander, doch streiten sie sich um die armenische Enklave Berg-Karabach in Aserbaidschan. Georgien liegt mit Russland im Streit um die abtrünnigen Gebiete Abchasien und Aserbaidschan, die von Moskau als unabhängige Staaten anerkannt werden. Moldawien liegt im Osten wegen des abtrünnigen Transnistrien im Streit mit Russland, im Westen mit Rumänien. Weißrussland und die Ukraine leiden unter erheblichen inneren Spannungen.
"Die Partnerschaft ist unsere Antwort auf den Wunsch der betreffenden Staaten, der EU näher zu kommen", sagt der schwedische Außenminister Carl Bildt. "Unser Einfluss beruht auf der Anziehungskraft der europäischen Integration." Als "Unsinn" bezeichnete der scheidende tschechische Außenminister und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Karel Schwarzenberg die russischen Sorgen vor einer neuen EU-"Einflusszone". Schließlich ist ein Anliegen der "Östlichen Partnerschaft", den im Gegensatz zu den Mittelmeerstaaten zweifellos europäischen Nachbarn eine Alternative zur EU-Mitgliedschaft anzubieten. Lawrow bleibt skeptisch: "Wir nehmen das zur Kenntnis und warten mal ab, was passiert."
Die östliche Nachbarschaft ist für die EU vor allem für die Sicherung der Energieversorgung wichtig, die zu mehr als 50 Prozent auf Importen beruht. Das Projekt der neuen Partnerschaft wurde nach den Unterbrechungen der Gaspipeline durch die Ukraine zur Jahreswende besonders vorangetrieben. Mehrere der Partnerländer sind für die von der EU geplante "Nabucco"-Pipeline wichtig. Das Großprojekt soll ab 2015 Gas aus dem kaspischen Becken, besonders aus Turkmenistan, unter Umgehung Russlands via Türkei nach Europa leiten. Zugleich baut Russland an einer Konkurrenzpipeline (South Stream), die durch das Schwarze Meer nach Europa führt. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Treffen der Staaten des "südlichen Korridors" (Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Turkmenistan, Türkei) zu sehen, zu dem die EU am 8. Mai in kleinerem Kreis nach Prag lädt. Hier geht es um viel Energie und sehr viel Geld. Die USA sind als Beobachter geladen, Russland auch.
Quelle: ntv.de, Dieter Ebeling, dpa