Entlastung mit der Brechstange Neue Töne aus der Union
11.09.2008, 16:03 UhrDer Blick der Mitglieder des Unionsfraktionsvorstands war in München natürlich erst einmal auf die bayerische Landtagswahl am 28. September gerichtet. Die Forderungen nach mehrfacher Milliarden-Entlastung der Bürger zielten aber noch mehr darauf ab, in der Phase der Neusortierung der SPD-Spitze Position für die Bundestagswahl 2009 zu beziehen.
Fraktionschef Volker Kauder (CDU) machte auf der Klausurtagung gar keinen Hehl daraus: die Fraktion will nicht mehr nur Bindeglied zum Koalitionspartner SPD sein, sondern sie fühlt sich jetzt auch für die Abteilung Attacke zuständig. Über die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke möchte die Union zum Beispiel die Strompreise senken, um den Bürgern, so Kauder, sagen zu können: "Mit uns könnt ihr 40 Milliarden (Euro) an Strom sparen." Die SPD werde dies nie mitmachen, vermutete Kauder bereits, ohne mit den Sozialdemokraten darüber gesprochen zu haben. Für Kauder aber nur halb so schlimm: Dann werde die Union das eben zum Wahlkampfthema machen, sagte der Fraktionsvormann. Der Wahlkampf 2009 lässt grüßen.
Unionsfraktion im Entlastungsrausch
Auf der Klausur steigerte sich die Fraktion geradezu in einen Entlastungsrausch. Zwei Milliarden mehr für die Energieforschung hier, zwei Milliarden für höheres Kindergeld und Freibeträge dort. Entlastung für die Unternehmen beim Erwerb der Emissionsrechte. Nicht zuletzt sollen die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung kräftig gesenkt werden. Von 3,3 auf 2,8 Prozent. Was noch einmal vier Milliarden Euro kostet.
Monatelang hatte Merkel die Entlastung-Bremse angezogen. Die Kanzlerin nutzte stets eine zweigeteilte Formel. Das Ziel des ausgeglichenen Haushalts von 2011 habe Vorrang, hieß die eine Botschaft. Wo immer möglich, würden die Bürger aber entlastet, lautete ihr Nachsatz. Obwohl es vielleicht finanzierbar gewesen wäre, wollte Merkel die Staatsschatulle für die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale partout nicht aufmachen.
Merkel bleibt persönlich bei ihrer Linie
In München blieb Merkel persönlich bei ihrer Linie. Sie machte sich die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung nicht zu eigen und sprach lediglich von einem "ambitionierten Ziel". Anders als im Fall Pendlerpauschale ist ihr das Vorpreschen der Fraktion aber heute ganz recht, war der Eindruck der Parlamentarier. Sie wisse auch, dass sich die Bürger, die zu Beginn der Legislaturperiode die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik verkraften mussten, nach Entlastung sehnen.
Kauder störte nicht, dass der prominente Klausurgast Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur, eine so starke Senkung des Beitrags für nicht vertretbar hielt. Die Bundesagentur für Arbeit "ist keine Sparkasse", gab sich der Merkel-Vertraute ungerührt. Entlastungen für Bürger und Unternehmen will Kauder nun mit der politischen Brechstange durchsetzen. Die Kanzlerin kann in der Regierung noch moderieren, Kauder und die Fraktion wollen anscheinend "CDU/CSU pur" verkörpern.
Durch Renate Köcher angefeuert
Angefeuert wurden sie dabei durch einen anderen Gast. Wie so oft ließ sich die Fraktion von der Chefin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, Renate Köcher, über die Stimmungslage in der Bevölkerung berichten. Nach ihren Erhebungen stünde inzwischen nicht mehr der Wunsch nach mehr Arbeitsplätzen ganz oben auf der Liste der politischen Prioritäten, berichteten Teilnehmer vor den Türen. Nein, die Bevölkerung wolle nach Köchers Darstellung angesichts der steigenden Energiekosten entlastet werden, mehr Netto vom Brutto haben.
Das klang den CSU'lern im Saal wie Musik in den Ohren. Das hatten sie schon lange gepredigt. Nun ist es nicht so, dass abgesehen von der Geschichte mit den Atomkraft-Milliarden unbedingt neue Vorschläge präsentiert wurden. All das, was in der Diskussion ist, wurde aber mal richtig zusammengefasst, so dass am Ende die runde Summe von 10 Milliarden Euro Entlastung verkündet werden konnte. Politik ist immer auch eine Frage des Verkaufens - gerade in Wahlkampfzeiten.
Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack und Carsten Hoefer, dpa